Worte der Woche: visueller Stil und die Klischee-Falle

Tabletoper in der Stereotypenfalle

Klischees sind etwas tolles! Ganz ehrlich! Unser Hobby lebt, wie auch Pen&Paper-Rollenspiele und LARP, davon dass mit Stereotypen gearbeitet wird. Diese schaffen geistige Bilder, ermöglichen einen Wiedererkennungswert und sorgen für das, was allgemein als „Stimmigkeit“ bezeichnet wird. Aber Klischees leben gerade davon, dass sie manchmal gebrochen werden. Denn wenn die Stereotype zum Automatismus wird, ja sogar als einzig „wahre“ Möglichkeit angesehen wird, dann ist der Tabletoper in der Stereotypenfalle gefangen. Zeit also die Nase in diese tiefsten Klischees zu stecken und mich unbeliebt zu machen.

In erster Linie rede ich hier von der Bemalung der Miniaturen und der Gestaltung des Geländes. Natürlich gibt es auch in Spielstilen, Listenbau, Verhalten und allgemeiner Systempräferenz Stereotypen, aber in gestaltenden Elementen des Hobbys hat man einfach mehr kreative Freiheiten des visuellen Stils. Hier hat man am ehesten die Möglichkeit tatsächlich eine innovative neue Idee einzubringen oder aber auch in die Klischeefalle zu tappen

Die Ruinen unserer Zukunft

Warhammer 40.000 ist düster und dystopisch – daran besteht kein Zweifel, auch wenn manchmal früher eine gewisse Selbstironie durchschien. Die typischen Studioplatten und offiziellen Gebäude sind sowohl neogothisch geprägt, könnten aber auch einer „gothic novell in space“ entsprungen sein. Das ganze Setting schreit nach futuristischen Felswüsten und Stadtruinen.

Tut es das? In der grimmen dunklen Zukunft gibt es außer Krieg und dem Gelächter blutrünstiger Götter noch so viel mehr: Krieg im Dschungel, , Orkgelächter in Schrottstätten, blutrünstige Götter auf Dämonenwelten, Eldarjungfernwelten, hochzivilisierte Tau-Septen, industrielle Landwirtschaftsanlagen und, ja, auch leblose Felswüsten voller Necrons. Und trotzdem sieht man immer die gleichen Felswüsten, typischerweise in felsgrau, schon die Variation sahara-ocker und mars-rot gilt als ungewöhnliche Innovation. Gebäude sind grundsätzlich Ruinen. Auch wenn die Welt voller Krieg ist, stellt die typische Partie eher keine Schlacht da, daher sind großflächige Zerstörungen nicht zwingend notwendig. Manchmal wünsche ich mir auf den Spielplatten von WH40K doch gerne etwas mehr Innovation.
Zugegeben: hier ist die Sterotypenfalle am geringsten.  Die Gebäudegussrahmen von Games Workshob sind zu schick und durchdacht um sie nicht zu verwenden, Gelände hat nicht den riesigen Stellenwert im Spiel und die ganzen erwähnten „innovativen Ausnahmen“ sind alles Beispiele, die man schon im White Dwarf oder gar live gesehen hat. Dennoch wünsche ich mir manchmal etwas mehr Abwechslung, auch die Alibigrasmattenplatte kann mit etwas interessantem und thematischen Gelände besser wirken, sei es eine Jungfernwelt oder eine Landwirtschaftwelt. Also, malt eure Ultramarines blau, eure Imperial Fist gelb, die Orks grün und ihre Fahrzeuge rot – aber versucht mal ein paar Sachen etwas anders zu gestalten 😉

Königsblau sind die Schwäne und blaugrau die Trolle

Studiomalschemata sind üblicherweise durchdacht und wirken optisch beeindrucken – klar dass man sie als Spieler als Inspirationsquelle nutzt. Aber in Warmachine/Hordes wird dies gerne manchmal auf die Spitze getrieben. So ziemlich jeder, dessen Armee ich gesehen habe, malt seine Cygnar blau, seine Menoth knochenfarben, den Circle in natur-grün-gold und seine Legion mit violetten Einschlägen – ich nehme mich da keineswegs aus! Alleine bei den Trollen wird die Hautfarbe wild variert (auch wenn die Trollspieler grün für eine schlimme Stilverfehlung halten) und bei Khador habe ich  häufiger mal grau-braun-grün Schemata mit roter Zierrat gesehen.

Diese Farbzuordnungen gehen soweit, dass meine eher tiefblauen Cygnarmodelle mit weißen Schwänen (gelbe Schwäne sind für mich Enten….) schon mal scherzhaft als „Vinter-IV-Loyalisten“ bezeichnet wurden oder meine dunkelroten Searforge-Söldner ernsthaft für Khador gehalten wurden. Warum? Gerade in einer der interessantesten Warmachine-Erweiterungen „Escalation“, der ersten Warmaschine-Erweiterung überhaupt, wurde sehr hübsche Alternativfarbschemata vorgestellt – damals übrigens noch anhand von Citadell-Farben.

Cygnar in taubengrau, Menoth in Rot oder Violett. Seit damals hat das sich das System sehr verändert und weiter entwickelt – nur neue Farbschemata sind selten. Und dies obwohl im No Quater Magazin regelmäßig interessante Farbschemata wie onyx-grüne Skorne oder der rothäutige „Circle of Hell“  gezeigt werden. Daher: mehr Mut bei der Farbwahl bitte, Anregungen und hervorragende Bastler und Maler gibt es ja unter den Warmachine/Hordes Spielern.

Uniformen und Landschaften Leonoras

Freebooter’s  Fate ist mit der Wahl seines Settings schon sehr spezifisch. Piraten mit karibischem Flair, Dschungel, Mangroven, eine Kolonialstadt, Hafenanlagen, alte Ruinen, Goldminen, Schwarzpulverwaffen mit Steinschloss und mittelamerikanische Anklänge bei den Amazonen. Das alles macht den visuellen Stil des Geländes schon recht spezifisch, erlaubt aber dennoch viel Variation. Ich persönlich würde mich aber auch nicht daran stören Nadelhölzer auf einer Freebooters Platte zu sehen, gibt es doch Höhenlagen und inzwischen auch andere Inseln. Dennoch lassen wir Freebootersspieler uns viele Chancen entgehen. Wann habt ihr zuletzt einen Sandstand gesehen? Wie steht es mit großen Flüssen ? Raging Rivers kann man nicht nur in Mangroven oder auf offener See mit Inseln spielen. Im Freebooters Forum findet man viele wirklich tolle Platten und Geländeideen – aber die meisten laufen auf tollgestaltete Inselgruppen und Stadtviertel mit tollen Gebäuden hinaus. Wo bleiben die Dschungelplatten mit viel Bewuchs und Baumhäusern, wo die Sumpfsiedlungen mit den Pfahlbauten und Baumhütten und wo die Fels und Lavafelder nach dem Vulkanausbruch, und überhaupt das 3D-Gelände.

Nein, Freebooters wird gerne am Hafen, zwischen Gebäuden, die vereinzelt auch mehrgeschossig sind, gespielt, oder auf der Alibigrasplatte mit etwas Gelände. Und eigentlich immer im Flachland. Aber ich muss hier ganz ruhig sein, denn ratet mal wie denn meine aktuelle Freebootersplatte wohl aussieht, die Ausrede, dass ich zu nichts komme zieht nicht ewig. 🙂

Die „Uniformen“ von Freebooters sind meistens eine Augenweide: verlotterte Goblins und Kultisten, bunte verlotterte Piraten, farbenfrohe Amazonen, geschmackvolle Bruderschaftler. Aber ausgerechnet bei den tatsächlich uniformierten Soldaten der Imperialen Armada sieht man meistens nur zwei Farben: das blau-weiße „Studio“-Farbschema von Freebooter Miniatures und rot-weiß, in Anlehnung an die britischen Rotröcke.

Ja, diese beiden Farben sind dankbare und leuchtende Farben, die sehr gut geeignet sich um eine prächtige Uniform darzustellen. Aber es gibt auch noch andere Farben die strahlen können. Ein Bekannter hat sich an violetten Uniformen mit gelben Kontrasten versucht. Gelbe Uniformen sind zwar undankbar zu malen, aber auch hier gibt es Mittel, Wege und Foundationfarben/Armypainter-Sprays die helfen können, und die Uniformen sehen mit roten oder schwarzen Kontrasten bestimmt gut aus. Wenn ich irgendwann wieder Armadamodelle und Zeit habe probiere ich es aus…irgendwann :). Auch grüne Uniformen würden sich zaubern lassen und die Landsknecht-Puffärmel und Rokokoelemente waren historisch sowieso eher bunt. Ich wünsch mir mehr Mut bei den Uniformen – die Armada klaut sowie so bei allen Kolonialmächten, warum es nicht mal mit holländischem Orange probieren? Und ich weiß von Werner Klocke auch persönlich, dass er sich über jede Armade oder Debonn-Armee freut, die nicht im Studiofarbschema bemalt wurde.

Die schöne neue Welt von Infinity

Ist die Zukunftsvision von Infinity nicht herrlich? Neue Welten, unentdeckte Planeten, riesige Raumschiffe, eine wohlwollende KI – das Leben ist so schön. Und so schön, strahlend und sauber ist auch die Ausrüstung der Machtgruppen. Schneidige Kirchenritter aus PanOzeaniea, hübsche Odalisken-Bodyguards der haqqisamlischen Silk-Barone, die beeindruckenden Truppen Yu Yings und nicht zu vergessen die übermenschlich schönen Lhost von Aleph – die sind so sauber, dass sie noch nicht mal Staub in Form von Hautschuppen generieren. Auch die Nomaden in ihren Raumschiffe setzten Standards in Mode, Stil und Sauberkeit…..


Moment, waren die Nomaden nicht alle verkappte Anarchisten, besonders auf Bakunin? Jugendliche, die schon ihre Arbeitsstunden auf dem Raumschiff ableisten – sicher dass es dort nicht haufenweise schmutzige Wartungseinheiten gibt? Jugendliche Motoradgangs und Ateks existieren in den Großreichen und dann erst Dawn mit seinen Wäldern, Antipoden und Ariadna-Pionieren, Acontimento als riesige Dschungelwelt, die Eiswüsten Svalheimas, die Kämpfe auf Paradiso und nicht zuletzt mit Bourak eine ganze Wüstenwelt mit korrupten Händlern und organisierter Bikerkriminalität. Das könnte doch ganz schön schmutzig sein?


Und dennoch, wenn ich mir Promopaintjobs, Gelände, Platten und viele Modelle angucke, herrscht doch ein sauberer Animee und Comic-Stil vor. Aber bei den ganzen dystopischen Anklängen, waren nicht auf Animee-Meilensteine wie „Akira“ oder „Ghost in the Shell“ schmutzig? Aber durch die strahlenden Promopaintshops und die angenehm sauber-futuristischen MDF-Bausätze diverser Hersteller ist der visuelle Stil Infinitys überwiegend sehr sauber geprägt. So sehr, dass selbst ich mich schon über unsauber gewordene Lasuren auf falsch grundiertem MDF sehr geärgert habe. Auf den offiziellen Miniaturen sind höchstens mal die Bases etwas schmutzig, bei den offiziellen Gebäudesätzen sind selbst die Graffitis sauber. Alleine an Motorradreifen habe ich bisher Dreck und Rost gefunden. Kein Wunder, das jeder in dieser sauberen, von Aleph organisierten Welt leben möchte. Sind sie glücklich, Bürger  ?

von https://1d4chan.org/wiki/File:Alephislove.jpg

Meine Infinitywelt ist schmutzig – aber ich fühle mich auch zu Fraktion wie Haqqislam, Nomaden, ShasvastiI und Ariadna hingezogen. Meine ersten Geländestücke für Infinity, die iKubes, hatten alle schmutzige Texturen vom Designer erhalten.

iKubes – das beste Infinitygelände für den Einstieg!

Dennoch, die meisten Infinityfiguren und Geländestück die ich bisher gehen habe sind sauber. Dies geht soweit, dass ich bei einer Landeplattform, die ich für Gregor plante, die Infinity-Spieler explizit drauf hinweisen musste, dass ich mir diese eher „schmutzig“ vorstelle, und kurz Verwirrung ernte. Aber, es gibt sie auch die dreckigen Imbissbuden und Werkstätten, man muss nur in den einschlägigen Foren etwas suchen.

Fazit und das große „Aber…“

Ihr habt es hoffentlich rausgehört: Auch ich bin ein Tabletoper, der in der Klischeefalle steckt – und sei es nur weil ich sterotype Annahmen über Systeme machen, in denen ich aber  gleich die Gegenbeispiele zeige. Aber ein Klischee ist nicht deswegen ein Klischee, weil es keine Ausnahmen gibt, sondern weil das Bild in den Köpfen vorherrscht.

Dennoch muss ich eine Lanze für Stereotype brechen. Stereotypen sind wichtig für die Wiedererkennbarkeit. Ein wilder Stilmix ist eher abträglich für die Produktgestaltung, und wenn es ein System geschafft hat in den Köpfen das Bild „Das sieht aber total nach …. aus“  zu erzeugen, dann haben die Produktdesigner es geschafft die Marke wiedererkennbar in den Köpfen zu verankern.

Welche visuellen Stereotypen findet ihr unabdinglich und sollten nicht gebrochen werden? Welche Klischees gehen euch auf die Nerven und sollten dringend durchbrochen werden?

Ich freue mich auf eure Kommentare.

Über Christian

Christian begann als Gastautor und bissiger Kommentator, wurde dann Redakteur im Blog und gehört inzwischen zu den "Großen Alten" Trotzdem ist es immer noch für sein zu schnelles Reden bekannt und für seine Klugkoterei berüchtigt. Obwohl er kein Historischer Wargamer ist, ist er einer der "HistoSpacken" der Redaktion. Sein Fokus im Hobby liegt auf Freebooter's Fate, Summoners, Geländebau (aktuell gerade 1:1 Maßstab) und Hobbyphilosophischem. Ganz allgemein spielt er lieber Skirmischer als Rank&File-Massensysteme

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