Review – Terry Pratchetts „Die Hexen“

Bei Rezensionen von Brettspielen im Blog fühlt man sich als Autor manchmal ein wenig unter Rechtfertigungsdrang, wenn es sich nicht um hochaktuelle Miniaturenspiele handelt, welche durch Crowdfunding finanziert wurden oder die einen mit Miniaturen überschütten. Bei „Die Hexen“ geht es uns nicht so, denn wenn es mit der Scheibenwelt zu tun hat und die Illustrationen von Peter Dennis stammen, ist es nerdig genug, um im Blog zu landen. Nachdem wir schon vor längerem auf dieses Spiel gestoßen waren,  haben wir es uns endlich besorgt und intensiver getestet.

Spielmaterial

„Terry Pratchett – Die Hexen“ von Martin Wallace ist 2013 bei Treefrog Games erschienen und wird in Deutschland über Asmodee vertrieben. Von ihnen wird es ab einer Altersgruppe von 13 Jahren  für 1 – 4 Spieler beworben.  Das Spiel kommt in der beliebten Quadrat-Box, wie man sie schon z.B. von Kosmos und QueenGames kennt, und enthält den Spielplan, etliche Spielkarten, eine überschaubare Menge an dicken Pappmarkern und vier Charakterdisplays. Die Regeln sind in ein angenehm dünnes Regelheft und einen Referenzbogen aufgeteilt. In der Sammlerversion sind die Spielfiguren farbige Plastikminiaturen von MicroArt, in der Standardversion einfache gedrechselte Hexenhüte. Auch einige Plastiktüten zum Sortieren des Materials liegen bei, als Brettspielsammler haben wir dem Spiel aber auch noch ein paar zusätzliche Tüten spendiert. Die Marker sind leicht auszudrücken, aus angenehm schwerer Pappe und auch hochwertig bedruckt.

Kommen wir zum visuellen Stil, der angenehm konstant ist. Auch wenn das Artwork der Scheibenweltartikel bisher stark durch die Illustrationen von Josh Kirby und  Paul Kidby geprägt ist, greift Peter Dennis deren Stil gekonnt auf und entwickelt ihn weiter. So gleicht keine der Figuren ihrer Kidby-Version, jedoch sind alle sehr schnell (und für den Scheibenwelt-Kenner teilweise sofort) zu erkennen. Gerade Peter Dennis‘ Aquarellstil ist hier wiedererkennbar, obwohl er bewusst weniger naturalistisch, sondern leicht comicartig  arbeitet.

Karten und visueller Stil

Auch wenn dies ganz klar kein Ausstattungsspiel ist, fühlt sich das Material wertig an und die Illustrationen erfreuen auch Scheibenwelt-Fans wie Christian. Inhaltlich greift das Spiel die Stoffe der Lancre&Wetterwachs-Romane, sowie der neueren Tiffany-Weh-Romane auf, verlegt jedoch alle Ereignisse nach Lancre.

Spielplan und Karte von Lancre

Das Spielprinzip

Spielziel ist das erfolgreiche Lösen der Probleme des Königreiches Lancre durch die Hexen, was in zwei Spielmodi erfolgen kann. Die Spieler übernehmen die Rollen von vier Junghexen in Lancre, die sich mit den einfachen Problemen im Lande auseinandersetzen müssen, wie kranken Schweinen, Schwangerschaften, Fieber und Sterbebegleitung. Immer wieder treffen sie aber auch auf schwierige Probleme, welche die typischen Antagonisten eines Scheibenweltromans in Lancre darstellen. So geht es hier zum Beispiel um Elfeninvasionen, Vampire oder Lily Wetterwachs. Diese Probleme können die Spieler in Konkurrenz lösen, um die fähigste Junghexe zu bestimmen, da jedes gelöste Problem Siegpunkte einbringt.
Oder sie versuchen, kooperativ die Probleme des Landes zu lösen, ohne an den Antagonisten zu scheitern, zu viele Krisen im Land auszulösen oder entnervt durchzudrehen, wodurch sie zu einer neuen „Schwarzen Aliss“ würden – jener Sorte Hexe, die in einer Hütte aus Backwerk haust und Kinder als Nahrungsquelle betrachtet. Kern des Spiels ist das Risikomanagment der Würfelwürfe und der geschickte Einsatz der Karteneffekte – das funktioniert überraschend gut in beiden Spielmodi.

Die Karten haben im Spiel eine dreifache Rolle. Erstens ist jeder Karte ein Ort zu geordnet und dient als Zufallsgenerator für die Platzierung von Problemen. Zweitens hat jede Karte einen Sondereffekt, der über ihr Ausspielen ausgelöst werden kann. Zusätzlich haben die Charaktere des „klassischen“  Zirkels von Lancre (also Esme Wetterwachs, Nanny Ogg, Magrat Knoblauch und Agnes bzw. Perdita Nitt) die „Macht der Drei“, die durch Ausspielen dreier unterschiedlicher Karten alle Probleme lösen können. Drittens gehört jede Karte einem von drei Typen an, die einen bestimmten Spieleffekt auslösen dürfen:

  • Hexenbesen – erlauben die Bewegung auf irgend ein anderes Feld
  • Magie – +2 auf Problemlösungen, zum Preis eines Gegacker-Markers
  • Kopfologie – +1 Bonus auf Problemlösungen
Kartendetails

Zu Spielbeginn werden je nach Spielerzahl die Stapel mit den einfachen und schwierigen Problemen gebildet, einfache Probleme im Land verteilt und verdeckt mehrere schwere Probleme in abgelegenen Ecken des Spielbretts platziert. Jeder Spieler wählt eine Hexe, die sich jedoch nur geringfügig durch den einmaligen Einsatz einer Sonderfähigkeit unterscheiden und erhält seine Handkarten. Zu Beginn jeden Zuges eines Spielers wird das aktuelle Problem aufgedeckt und mittels der obersten Karte des Nachziehstapels einem Ort zugeordnet. Besteht an diesem Ort schon ein Problem, so dass kein Platz für das aktuelle Problem besteht, wird das alte Problem durch einen Krisenmarker aufgewertet und mit einer neuen Karte einem neuen Ort zugewiesen. Kommen die Hexen also nicht mit den Problemen hinterher, brechen sehr schnell überall Krisen aus.

Spielablauf

Dann wird in ihrem Zug jede Hexe zwei Mal aktiviert. Sie kann sich jeweils zwei Felder weiter bewegen oder mittels einer Karte des Hexenbesen-Typs auf ein anderes Feld reisen. Kommt sie dabei auf ein Feld mit einem Problem, muss sie dieses versuchen zu lösen, trifft sie dabei auf eine Hexe, muss sie mit ihr Tee trinken. Dies kann sie natürlich durch das Ausspielen von Karteneffekten wie „Unsichtbarkeit“ umgehen.
Das „Teetrinken“ ist eigentlich eine Höflichkeitszeremonie der Hexen, dient aber tatsächlich dazu, seine Mitschwestern im Auge zu behalten, falls sie anfangen „zu gackern“, also seltsam zu werden. Dementsprechend bauen dabei alle Hexen einige Gegacker-Marker ab.
Wenn die Hexe versucht, ein Problem zu lösen, kommen die Würfel ins Spiel, mit deren Ergebnis man die Schwierigkeit des Problems überwürfeln muss. Diese sind einfache W6, die aber statt einer Eins einen Gegacker-Marker zeigen, der als Null zählt. Der Spieler würfelt zwei der Würfel und darf dann Karten ausgeben um über ihren Typ das Wurfergebnis zu erhöhen, oder ihren Effekt ins Spiel zu bringen. Oder der Spieler kann sich bei einem schlechten Wurf noch mal auf ein freies Feld zurückziehen. Entscheidet er sich aber das Problem zu lösen, würfelt er nochmals mit zwei Würfeln und kann danach nicht mehr das Ergebnis über Typ-Karten erhöhen, sehr wohl aber noch Karteneffekte einsetzen. Scheitert er dabei, muss er sich wieder auf ein freies Feld zurückziehen, erhält einen Gegackermarker und bei einem schwierigen Problem kommt noch ein Sondereffekt ins Spiel.
Löst der Spieler das Problem, erhält er den Problemmarker und damit Siegpunkte, zusätzlich erhöhen gesammelte Leichte-Problem-Marker das Handkartenlimit, Schwere-Problem-Marker geben Boni für Problemlösungen. Mit dem Ende des Spielzugs füllt er wieder seine Handkarten auf.

Kann ein Spieler keinen Gegackermarker mehr aus dem Vorrat nehmen, nimmt er diese vom Spieler der schon die meisten hat. In Lancre ist es also nicht schlimm, wahnsinnig zu werden, wenn es noch eine verrücktere Schachtel gibt. Ist der Spieler allerdings schon derjenige, welcher die meisten Gegackermarker hat, nimmt er stattdessen Schwarze-Alliss-Marker, welche Siegpunkte kosten.

Marker

Das Spielende ist je nach Modus leicht unterschiedlich, wird aber im Allgemeinen durch das Legen des letzten Problemmarkers ausgelöst.

Spieldynamik

Dem Spiel gelingt es sehr geschickt, das Gefühl eines Scheibenweltromans einzufangen und man kann den leicht überforderten Alltag einer Junghexe nachfühlen. Hier ein Schwein kurieren, dort Totenwache sitzen, schnell noch eine Elfeninvasion aufhalten, den gebrochenen Arm kurieren und dann noch entscheiden, ob die Kräfte reichen, den Winterschmied zu vertreiben oder das kranke Schaf zu kurieren, das mangels Zeit schon zur Dorfkrise geworden ist. Gerade zu Anfang stellt sich das große Chaos ein, wenn dank der vielen einfachen Probleme plötzlich überall Krisen ausbrechen. Da aber pro Zug immer nur ein neues Problem auftaucht, jede Hexe aber theoretisch zwei lösen kann, bekommt man dieses Chaos in den Griff, auch wenn dies dazu führen kann, dass andere schwere Probleme zur Krise anwachsen.

leichte Problem-Marker

Leichte Probleme dienen vor allem dazu, die Spieler auf Trab zu halten, sie auszubremsen (da eine Hexe diese nur ignorieren kann, wenn sie sich unsichtbar macht oder sie mit dem Hexenbesen überfliegt) und ihnen als Erfahrungsquelle zu dienen, da zusätzliche Handkarten sehr hilfreich sind, um die Schweren Probleme zu lösen. Leichte Probleme schafft man meistens nur durch Pech nicht, sie werden dann zu einer unwillkommen Quelle für Gegacker-Marker.
Die Schweren Probleme sind hingegen harte Brocken mit Schwierigkeiten jenseits der 17, für die man eine gute Kombination aus Handkarten oder eine spezielle Karte benötigt. Gerade hier kommt exzellent der Scheibenwelthintergrund zum Tragen, wenn „Wir-sind-die-Größten“ die Hexe bei ihrem Problem auch noch nach dem letzten Würfelwurf unterstützen kann, man Elfen mit der Bratpfanne leichter besiegt, TOD jedes Tod-Problem löst, oder man kranke Schafe automatisch mit Terpentin kuriert. Auch die Folgen des Scheiterns bei schweren Problemen kommen aus dem Hintergrund, sind aber gut ins Spiel eingepasst. Wer zum Beispiel  Herzog oder Herzogin Felmet nicht besiegt, schickt alle Hexen in den Kerker (aus dem sie leicht wieder ausbrechen), während Vampire immer stärker werden. Anfänglich muss man diesen Effekt jeweils nachschlagen, aber nach drei Partien weiß man über diese Sonderregeln Bescheid.
Eine Sonderrolle kommt den Elfen zu, welche über eine Elfeninvasion die Partie vorzeitig beenden können, falls zu viele Elfen-Probleme am Ende des Zuges auf dem Spielbrett sind. Ebenso kollabiert Lancre, wenn keine Krisenmarker mehr übrig sind, in beiden Fällen gibt es keinen Gewinner.

Hier beginnen nun auch die Unterschiede und die Verzahnung der Spielmodi, denn man merkt deutlich, dass der kooperative Modus auf den normalen kompetitiven Modus aufgesetzt wurde.

Der kompetitive Modus ist erst mal ein einfaches Würfelspiel, das einfach vom Scheibenweltflair lebt und immer für eine lustige Kombination gut ist, während die Spieler Siegpunkte sammeln und sich ein paar Knüppel zwischen die Beine werfen. Je nach Spielrunde geschieht dies locker-entspannt oder in angespannter Konkurrenz.
Nicht explizit in der Spielanleitung erwähnt, aber absolut möglich ist es jedoch als weit zurückliegender Spieler, über die bewusste Verweigerung von Problemlösungen und dem Aufdecken von weiteren schweren Elfen-Problemen eine vorzeitige Niederlage aller herbei zu führen. Ich stelle mir dies aber je nach Mitspielern recht kniffelig vor und nicht jede Spielgruppe reagiert gut auf so einen Spielstil „Wenn-ich-nicht-gewinne-gewinnt-keiner!“ Aber es kann die Dynamik sehr aufmischen, wenn die anderen Hexen plötzlich gegen so eine „böse“ Hexe vorgehen müssen und trotzdem noch versuchen, besser als alle Konkurrentinnen dazustehen.

Dafür, dass der kooperative Modus im Regelheft nur eine kleine Ergänzung ist, funktioniert er ausgezeichnet, der Schwierigkeitsgrad lässt sich sehr fein über die verfügbaren Krisen-, Gegacker und Schwarze-Alliss-Marker steuern. Als zusätzliche Verlustbedingungen kommt hier noch hinzu, dass kein Schwarzer-Alliss-Marker mehr verfügbar ist und am Ende des letzten Zuges nicht mehr als drei Schwere Probleme noch in Lancre vorhanden sein dürfen. Das Spiel bleibt von Anfang bis Ende spannend, da gerade zu Beginn immer die Krisen überall explodieren, im Mittelspiel die Gegacker-Marker zwar selten ein Problem sind, aber schon ein schlechter Wurf vom falschen Spieler etliche Gegacker-, und damit Schwarze-Alliss-Marker einbringen kann und man zum Ende sehr genau die Anzahl an Schweren Problemen im Auge behalten muss. Auch wenn es bei uns schon oft auf Messers Schneide stand und alles an einem Wurf oder Spielzug hing, schätze ich den kooperativen Modus nicht als „bockschwer“ ein, solange man nicht die Anzahl der Marker radikal reduziert.
Ganz interessant ist der Solomodus, bei dem man eine bestimmte Anzahl an Siegespunkten sammeln muss, bevor das Spiel zu Ende geht. Erreicht man diese nicht, wird man vermutlich irgendwann als Frau eines Schweinebauern und nicht als Hexe enden.

Spielertableaus

Fazit

Terry Pratchetts Die Hexen ist für uns die gelungene Kombination aus Familienspiel, Scheibenwelt-Thema und Geek-Fanservice. Sowohl den Kennern der Scheibenwelt, als auch einfachen Brett&Rollenspielern hat es sehr gut gefallen. Wir empfehlen es zum Auftakt einer Spielerunde oder als Überbrückungsspiel zu späterer Stunde, da es mit ungefähr  30 – 45min Spielzeit recht kurzweilig und überschaubar ist. Das Spiel ist aber recht zufallsbasiert und eher nicht für Liebhaber trockener Taktikspiele ohne Zufall geeignet. Dennoch ist die zentrale Risikomanagment- und Kartenressourcen-Mechanik sehr solide, da man Pech eben einfach mit einplanen muss. In unserer Spielgruppe ist der kooperative Modus etwas beliebter.

Als kleiner Wehmutstropfen ist uns aufgefallen, dass dieses Spiel inzwischen nicht mehr so leicht zu bekommen ist. Im Internethandel zahlt man inzwischen für die Standardversion teilweise horrende Sammlerpreise, während man es auf Messen teilweise noch sehr günstig bekommt. Mal schauen, ob Asmodee es wieder auflegt. Freunden des Themas und der Mechanik können wir es nur ans Herz legen, wir möchten es in unserer Sammlung nicht mehr missen.

Über Christian

Christian begann als Gastautor und bissiger Kommentator, wurde dann Redakteur im Blog und gehört inzwischen zu den "Großen Alten" Trotzdem ist es immer noch für sein zu schnelles Reden bekannt und für seine Klugkoterei berüchtigt. Obwohl er kein Historischer Wargamer ist, ist er einer der "HistoSpacken" der Redaktion. Sein Fokus im Hobby liegt auf Freebooter's Fate, Summoners, Geländebau (aktuell gerade 1:1 Maßstab) und Hobbyphilosophischem. Ganz allgemein spielt er lieber Skirmischer als Rank&File-Massensysteme

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