Review: Rapture

„Hat jemand Lust ein Review zu Rapture zu machen?“ Mit dieser harmlosen Frage schreitet mein Weg als Hobby-Schmetterling einen Schritt voran.

Was ist Rapture? Rapture ist ein aktionsgeladenes Skirmish-Tabletop-Spielsystem vom deutschen Hersteller Gravity Bay, das ab morgen (16.11.2020) über Kickstarter finanziert werden soll. Ich hatte bisher noch nichts von diesem Hersteller gehört und bin entsprechend unbefangen an die Sache heran gegangen. Zu Review-zwecken habe ich eine Starter Box der Engel– sowie der Atlantis-Fraktion bekommen. Als kleiner Disclaimer vorweg: mir wurden die Starter zur Verfügung gestellt aber ich werde nicht bezahlt und meine Meinung ist unbeeinflusst. Das Material muss noch nicht die endgültige Produktqualität haben und kann Änderungen unterworfen sein.

Zubehör

Die Vorab-Starterboxen bestehen aus stabilem Karton, wie er auch bei Paketversand zum Einsatz kommt und sind mit einem Artwork der jeweiligen Fraktion beklebt. Was ich schön finde ist, dass der Deckel außen am Unterteil vorbei geht, so dass man nicht Gefahr läuft den Inhalt beim Verschließen einzuklemmen. Das kenne ich von vielen Kartons genau anders herum. Im Inneren erwarteten mich viele Zip-Beutel, eingefasst von Luftpolsterfolie bzw. Plastik-Schaum-Folie oder wie das heißen mag. Beschädigt war, bis auf eine Figur, jedenfalls nichts. Bei Seeiah von den Engeln scheint der Steg, welcher in die Slot-Base kommt, vom Flügel abgebrochen zu sein. Das war beim Zusammenbau jedoch kein Hindernis und die Figur selbst war tipptopp. Jede Figur, sowie die Charakterkarten, Missionskarten und Markerbögen haben ihren eigenen Beutel.

 

Die Karten sind aus stabilem Karton und haben eine ordentliche Dicke. Der Druck ist scharf mit kräftigen Farben und eher seidenmatt bis matt. Mein einziger Kritikpunkt sind die spitzen Ecken, da man die Karten in Hüllen steckt um darauf schreiben zu können. Hier wären abgerundete Ecken wünschenswert.

Die Figuren bestehen allesamt aus mehreren Resin-Teilen. Dieses Resin ist ein sehr weiches, fast schon gummiartiges Material. Dies macht das Entfernen von Gussgraten und Häutchen etwas schwer und ich empfehle ein wirklich scharfes Messer für diese Aufgabe, da ein Schaben mit der stumpfen Seite fast unmöglich ist. Vorsichtiges Schneiden führt besser zum erwünschten Ergebnis. Es war aber nicht viel zu säubern und der Detailgrad der Figuren ist enorm und alles ist sehr scharf gegossen. Luftblasen sind mir keine aufgefallen.

Beim bemalen hat das weiche Material mich vor Herausforderungen gestellt, weil es unter dem Pinsel nachgegeben hat. Dank dieses Materials scheinen aber auch sehr dünne Waffen möglich zu werden, das kenne ich von meinen Freebooter Miniatures Zinn-Modellen ganz anders.

Mit einem Gussrest habe ich einen Bruchtest gemacht und ich musste mich schon sehr anstrengen, bzw. das Material sehr stark biegen um es zu brechen. Im Einsatz auf dem Spieltisch hat Leyra auch engeren Kontakt mit meinem 3-Jährigen gehabt und ja, die angeklebte Waffe hat sich gelöst und die Figur wurde zur Seite gedrückt, aber sie ließ sich wieder aufrichten und hat den Vorfall unbeschadet überstanden.

Die Passgenauigkeit ist sehr gut und der Zusammenbau auch ohne Anleitung gut zu bewerkstelligen. Die Kanister bei dem großen Kraken kommen am Gussrahmen, sind nummeriert und kommen in Löcher auf deren Boden die korrespondierende Zahl steht, sodass es nicht zu Verwechslungen kommen kann.

Engel

Ohne etwas über das Spiel zu wissen habe ich mich rein nach Aussehen für die Engel entschieden und bereue dies nicht einen Moment. Die Engel sind Konstrukte einer außerirdischen Rasse, welche Planeten erntet um eine Krankheit zu bekämpfen. Die Engel überwachen diesen automatisierten Vorgang und sorgen dafür, dass Überlebende auf den Planeten ausgerottet werden, damit keine Rebellion ausbrechen und der Planet erneut zum Heranziehen von „Nutzvieh“ genutzt werden kann. Im Spiel zeichnet sich das durch recht teure Charaktere mit guten Werten, (bisher) ohne Fernkampf und ohne Moral aus. Die Moral ist ein wichtiger Teil des Spiels und dies einfach ignorieren zu können gefällt mir sehr gut. Die Figuren haben großartige Details und tolle, dynamische Posen, Ieiaiel und Seeiah scheinen tatsächlich über der Base zu fliegen.

Atlantis

Moin, hier ein Einschub von Michas Frau. Ich habe nicht nur den Einzug eines weiteren Systems genehmigt, sondern mich auch noch bereit erklärt, mit einer eigenen Fraktion ins Feld zu ziehen. Mich haben die Atlanter direkt angesprochen, weil mir das Fisch-Thema zusagt. Wer kann schon Nein sagen zu einer Schildkröte und einem riesigen Kraken? Achja, Atlanter gibt es auch. Bonuspunkt: Es muss keine Hautfarbe gemalt werden (ich habe mal gehört, das sei verhältnismäßig unbeliebt).

Das Zusammenkleben lagere ich noch immer aus, aber bemalt habe ich selbst. Die Figuren haben wunderbar scharfe Details, die man nur noch mit ein wenig Farbe versehen muss. Ein paar Worte zum Material: Es ist biegsamer als ich es gewohnt bin und dass der Speer unter dem Pinsel nachgibt ist ein wenig gewöhnungsbedürftig. Außerdem sind die Figuren alle recht leicht (ich bin Metall-Modelle gewohnt, wenn ich denn mal male), bis auf den Kraken, der dann auf einmal recht schwer in der Hand liegt.

Bei der Farbwahl wollte ich eigentlich bewusst von den bestehenden Artworks Abstand nehmen, was aber nicht ganz geklappt hat. Vorbild für die blauhäutigen Atlanter waren dann aber die Betta-Kampffische, deswegen das leuchtende Rot an den Schuppen. Außerdem musste ich deutlich mehr Modelle bemalen als Micha…

Fazit zu den Figuren

Design und Detailgrad machen echt was her. Selbst der ungeübte Maler schafft es mit den richtigen Techniken, die vorbereiteten Details hervor zu heben.
Das weiche Material ist gewöhnungsbedürftig aber robust, und wie oben bereits erwähnt nicht unbedingt die finale Lösung.

 

Spielbericht

Wer das Spiel selbst einmal ausprobieren möchte kann sich die Regeln, sowie eine Print and Play Version mit den Atlantern und Engeln auf der Seite von Gravity Bay ausdrucken und direkt loslegen. Es ist alles enthalten: Figuren, Marker und sogar Messstäbe.

Gespielt wurden zwei Partien. Eine zum Kennenlernen, eine um ernst zu machen. Und um verschiedene Konstellationen kennen zu lernen. Jede Fraktion zieht ihre eigene Missionskarte aus einer Auswahl von drei Missionen, sodass sich aus den jeweiligen Kombinationen immer neue Spielaufstellungen ergeben. Je nachdem wie dicht die Missionsziele beieinander liegen ist mehr Konflikt vorprogrammiert.

Das erste Spiel war „Dicke Luft bei der Reinigung“. Die Atlanter mussten Lüftungsschächte zerstören und die Engel Überlebende eliminieren. Wie üblich für die erste Runde müssen so einige Regeln nochmal nachgeschlagen werden und man lernt seine Figuren kennen.
Nachdem die Engel in der ersten Runde drei von vier Überlebenden ausgeschaltet hatten, haben wir beschlossen, dass diese sich vorher vielleicht doch nochmal hätten bewegen sollen. Die Atlanter sprengen in der Zeit einen Lüftungsschacht und nutzen den Vorteil, dass sie, im Gegensatz zu den Engeln, Fernkampf-Angriffe durchführen können.
Runde Zwei verspricht etwas mehr Kampf. Der Angriff eines Engels wird von Lyra mit einer Gegenschuss-Reaktion jäh beendet. Nach dem besiegten Engel verlässt aber auch Lyra das Spielfeld, ihre Kanone ist nicht so gut für den Nahkampf geeignet.
In Runde drei konnte der Atlanter mit den Algen Gionas seine Stärke ausspielen und einen Engel komplett bewegungsunfähig machen. So waren er und der andere Engel leichte Beute für die beiden Tiere.
Ein klarer Sieg für die Atlanter mit 235 zu 180 Siegpunkten.

In Spiel Zwei wussten beide Seiten etwas besser, was sie erwartet. Gespielt wurde „Götzenzerstörung und Remontieren“. Die Atlanter mussten lästerliche Götzen zerstören und die Engel Sternensplitter sammeln und zu ihrem Schiff hinauf schicken. Durch die Aufstellung der Missionsziele war für beide Seiten der Mittelpunkt des Spielfeldes wichtig.

Die erste Runde verläuft verhältnismäßig ereignislos. Raziel kämpft überlegen gegen den Atlanter mit dem Giftspeer – Kyenar – und sonst formiert man sich für die nächste Runde.

Nach den Erfahrungen des ersten Spiels werden die Atlanter nun vom Spielfeld gefegt, bevor sie gefährlich werden können. Da hilft auch das bisschen Fernkampf nichts.

In Runde drei kommen endlich die Tentakel von Danais Krakentier zum Einsatz und verknuspern einen der Engel mit ihrem Fernkampf.

 

Dank der Fähigkeit von Raziel starten die Engel mit einer Doppelaktion, erfüllen ein Missionsziel und versuchen noch einen Angriff, der am Kraken zerschellt.

Da die Engel sich als zu widerstandsfähig erweisen, beschließt das letzte Modell, Danai, sich einem Missionsziel zuzuwenden und einen zweiten Götzen zu zerstören. In der letzten Runde schafft es der Engel dann doch noch an den letzten Atlanter heran und versetzt ihn in Panik, sodass er aus dem Spiel flüchtet.
Ein deutlich knapperes Spiel mit 180 zu 190 (160 + 30), das diesmal zugunsten der Engel ausfällt.

 

Fazit zum Spiel

Mit nicht einmal einer Stunde Spielzeit ist eine Runde schnell gespielt. Ein eindeutiger Vorteil gegenüber einigen anderen Systemen. Man kann durchaus mal eben eine Runde Rapture spielen.
Na gut, abgesehen davon, dass man ein bisschen Gelände auspacken muss. In unseren Spielen ist das übrigens nur als Deckung zum Einsatz gekommen. Wenn sich Missionsziele in und auf Häusern befinden wird das Ganze bestimmt noch einmal spannender.
Die Fraktionen fühlen sich auch ausgeglichen an, wenngleich man das nach nur zwei Spielen schlecht pauschal sagen kann. Es gibt einige Sonderfunktionen, die erst gegen andere Gegner spannend werden. So haben die Atlanter einige Fähigkeiten, um bei ihrem Angriff die Moral zu senken – allerdings haben die Engel keine Moral. Dafür mussten die Engel so ohne Fernkampf immer erst einmal in Basenkontakt kommen, um Schaden machen zu können.
Die Spezialfähigkeiten der einzelnen Charaktere sind nicht zu viele und übersichtlich genug, sodass man sie durchaus gut einsetzen kann. Einziges Manko ist die Beschränkung von Effekten bis zum Rundenende, das manchmal sehr kurz sein kann und die Reihenfolge der Aktivierungen sehr taktisch macht. Außerdem ist es ein guter Grund, direkt noch eine Runde zu spielen. Damit die Schildkröte diesmal nah genug ran kommt, um zu kreischen oder der Technikwurf von Ieiaiel gelingt, um einen Atlanter zu kontrollieren.

Jetzt ein bisschen „Aber“: Wir haben so etwas wie eine Schnellstartregel vermisst. Ein „ich bin dran, was kann ich jetzt eigentlich machen?“. Da wir die Regeln auch nicht ausdrucken wollten, gestaltete sich das Nachschlagen im digitalen PDF als etwas mühsam. Mit einem Büchlein in der Hand ist das bestimmt weniger problematisch.
Als kleine Hilfe haben wir trotzdem die Tabelle mit den Aktionen und Reaktionen ausgedruckt. Dennoch – so eine, irgendwie anschaulichere Spielübersicht wäre nicht schlecht gewesen.
Vielleicht auch ein Schnelleinstieg für erfahrene Tabletopper, die bereits wissen, was Basenkontakt ist und wie man einen Angriff auswürfelt.

Ein Für und Wider hatte für uns auch die Kraken-Einheit, die als Dreiergespann etwas anders funktioniert als die üblichen Einzelmodelle. Auf jeden Fall ein schöner Einfall, die Tentakeln können den Kraken wunderbar abschirmen, aber statt bei jeder Sonderregel einmal den Sonderfall aufzuzählen, wäre eine allgemeingültige Regel nett gewesen (sowas wie „der Kraken bestimmt die Richtung, die Tentakel stecken alle Angriffe ein“). Aber das ist auch eine Regel, die nach dem „Aha-Effekt“ sitzt.

Bei unserem Spiel mit drei Engel– gegen fünf Atlanter-Einheiten, bei dem die Engel die Initiative haben, scheint es auf den ersten Blick zu einem Ungleichgewicht bei den Zügen zu kommen. Besonders wenn Raziel seinen Doppelzug nutzt, sind danach für den Rest der Runde nur die Atlanter dran.
Hier kommt eine Besonderheit von Rapture ins Spiel, nämlich neben den Aktionen auch die Reaktionen. Für beides gibt es Punkte und so kann man auch auf einen gegnerischen Angriff reagieren. Dieser fällt häufig sogar stärker aus als der eigentlich durchgeführte Angriff des Gegners. So hat man auch während der gegnerischen Züge genug zu tun und zu überlegen.

In einem Satz also: Unkompliziert und kurzweilig, wenn man jetzt noch ein Regelheft oder eine schicke Übersicht in der Hand hätte… aber dafür gibt es ja den Kickstarter.

Wie gefällt euch unser Eindruck von Rapture? Habt ihr das Spiel schon mal probegespielt? Macht ihr bei dem Kickstarter mit oder sagt es euch gar nicht zu? Schreibt uns eure Meinung und Fragen in die Kommentare.

Bleibt gesund!

Euer Micha

2 Comments on “Review: Rapture”

  1. hier stehen zu wenig kommentare.

    Obwohl ich von Kickstarter eigentlich nichts mehr halte, besonders im TT Bereich,
    habe ich gebackt, bis Covid-19 ganz weg ist, wird der ja auch schon ausgeliefert 🙂

    Mir gefällt das es ein TT Hersteller aus Deutschland ist (der in der EU produziert)
    und die doch sehr interessante Lore.

  2. Hallo.

    Insgesamt hört es sich nicht schlecht an. Für mich gibt es folgende Punkte:

    Dafür:
    – Endlich mal wieder ein deutsches System
    – Man kann sich das Regelwerk und einige der Charaktere kostenlos herunterladen, ansehen und testspielen , so dass man nicht die Katze im Sack kaufen muß
    – Die Möglichkeit auch in der gegnerischen Aktivierung (re)agieren zu können gefällt mir

    Dagegen:
    – Die angesprochene Weichheit des Harzes finde ich irritierend. Vielleicht bin ich hier aber zu kritisch.
    – Die asymmetrischen Szenarien sprechen mich nicht unbedingt an. Sind die Engel sonst zu stark?
    – Die Hintergrundgeschichte mit dem Ernten der Menschen mag ich nicht. Ist das bei Matrix, Independance Day oder War of the worlds geklaut?
    – Ich habe (leider) insgesamt schlechte Erfahrungen mit Tabletop-Kickstartern gemacht. Vor allem was die Termintreue angeht. Daher laß ich die Finger davon.
    – Wenn ich die Zeitplanung mit einer geplanten Auslieferung im Dezember nächsten Jahres sehe verliere ich ehrlich gesagt das Interesse. Ich fürchte mal dann wird Rapture tot sein, bevor es Fahrt aufnehmen konnte, da zwischenzeitlich ja kaum etwas erhältlich sein wird. Und ob die Gemeinde derer groß genug ist, das System mit Pappaufstellern am Leben zu erhalten? Ich glaube es nicht.
    – Und last but Not least. Ich habe schlichtweg keinen Platz mehr. 😉

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