Hobbytagebuch – Review Lion Rampant

Hallo und willkommen im Blog,

 

heute bin ich wieder in meiner Position als offizieller Redaktions-HistoSpack ™ tätig und stelle euch  ein Buch vor. Vielleicht erinnert ihr euch noch an meine Rezension von Pikeman’s Lament und die daran anschließende Diskussion über den Regelkern „Lion Rampant“. Heute soll es um diesen gehen. Denn „Lion Rampant“ ist ein Regelwerk, das zumindest mir auf Messen immer wieder begegnet ist und seit dem Erscheinen eine Welle an Folgepublikationen für andere Epochen losgetreten hat. Hier widmen wir uns nun dem historischen Wargaming im Mittelalter und dem Spaß daran, bunt bemalte Ritter in die Schlacht zu führen.

Das Buch – Harte Fakten

Lion Rampant

  • Autor: Daniel Mersey
  • Illustrator: Mark Stacey
  • Verlag Osprey Wargames, 20. Sept. 2014
  • 64 Seiten, broschiert
  • Listenpreis: 12,99 £ (≈ 15,17 €)

 

So weit, so erwartbar. Das Buch hat wieder einmal das typische Osprey-Format und die typische Seitenzahl. Die Bindung ist gut, das Papier satiniert und kräftig. Die Broschur ist solide und dem Preis angemessen – man sollte nur nicht erwarten, dass dieses Buch/Heft einen Regenschauer oder lange Transporte in Beuteln unbeschadet überlebt.

Auch das Layout überrascht nicht. Die Seitenränder sind wie gewohnt relativ breit und mit Anmerkungen und Illustrationen gefüllt, somit hat die Zeilenlänge einen angenehmen Lesefluss. Bei den Illustrationen wird wieder auf den bekannten Fundus von Osprey zurückgegriffen. Auch etliche Bilder von bemalten Miniaturen aus der Sammlung des Autors und seiner Bekannten sind zu finden. Gerade bei der Bemalung der Modelle fällt aber auf, dass einer der Hauptantriebsfedern des Autors für dieses Regelwerk vermutlich war, bunt bemalte Ritter in den Kampf zu schicken. Daher ist die Bemalung nicht bei allen Figuren hochprofessionell, aber dennoch auf hohem Niveau.

Vielleicht bin ich inzwischen Osprey und Daniel Mersey gewohnt, aber die Gliederung des Textes hat mich direkt abgeholt. Gleich zu Beginn stellt er seine Design-Konzepte für das Regelwerk vor. Der Autor möchte ein Regelwerk für das Hoch- und Spätmittelalter. Bei allem Ernst und Interesse für die Epoche, soll „Lion Rampant“ vor allem flüssiges Spielen ermöglichen und Spaß machen. Vor allem wenn man seine bunten Recken durch die Gegend schubst.

Anschließend folgen die Grundkonzepte der Regeln, die Erläuterung der Profilwerte und eine Abhandlung der Spielzugphasen. Sehr erfreulich fand ich hier auch ein Flussdiagramm, welches keine Fragen offen lässt.

An die Einheitenprofile schließen sich dann etliche Szenarien an, die vom einfachen „Auf’s Maul / Blutbad“ bis hin zu komplexen Begegnungsgefechten und Geleitmissionen reichen. Abgeschlossen wird das Buch durch eine Vorstellung von Beispielgefolgen für verschiedene Nationen und Zeiträume. Und diese Sektion ist wirklich, wirklich umfangreich und beschäftigt sich nicht nur mit den Unterschieden zwischen frühen und späten englischen Truppen, Schotten und Franzosen, sondern wirft auch ein Licht auf Russen, Mongolen, Osmanen, Mauren und Spanier. Damit ist es mit etwas Fantasie und Beschäftigung mit der Materie möglich, so ziemlich jede militärische Einheit zwischen Atlantik und Zentralasien vor der Einführung des Schießpulvers darzustellen.
Der Autor geht sogar soweit, Beispiellisten für eher cineastische Begegnungen, wie zum Beispiel zwischen Robin Hood und seinen Fröhlichen Gesellen und dem Sheriff von Nottingham vorzustellen. Für ganz Mutige schlägt er sogar eine Begegnung zwischen einer guten und bösen Fantasy Armee vor. Freut euch schon auf meine Rezension der Folgepublikation aus dem Schicksalsjahr 2015.

Der Regelkern und das Spiel

Da „Lion Rampant“ die erste Publikation mit diesem Regelkern war, stelle ich hier die Grundmechanik noch mal vor.

Als Konfliktgröße wird hier die Retinue / Leibgarde / Gefolge dargestellt. Keine ganze Armeen, aber auch keine einzelnen Personen, sondern überschaubar viele Einheiten, die sich bei Fehden, Überfällen und Gefechten am Rande einer Belagerung gegenüberstehen. Als Maßstab sind 28mm Modelle vorgesehen (weil man die schön und bunt bemalen kann), es lassen sich aber auch einfach 15mm Modelle verwenden. Die Einheiten bestehen entweder aus zwölf oder sechs Modellen auf Einzelbases. Jede Einheit hat bis zu zehn Werte: wie einfach sie für Bewegung/Angriff/Beschuss aktiviert werden kann, wie wahrscheinlich sie in Angriff/Verteidigung/Beschuss Treffer herbei führt und wie viele Treffer einen Lebenspunktverlust herbeiführen (Rüstung).

Wesentlich ist die Aktivierungsmechanik. Nach dem zuerst einige Pflichtaktionen wie ‚Rally‘ und ‚Wild Charges‘ abgehandelt werden, kann der aktive Spieler dann versuchen, eine Einheit regulär für eine Bewegung, einen Angriff, einen Beschuss oder einen Sonderbefehl zu aktivieren. Gelingt der Aktivierungstest, darf er die Einheit wie gewünscht aktivieren und danach eine weitere Einheit wählen, bis alle aktiviert wurden. Misslingt der Test zur Aktivierung jedoch, endet die Runde des Spielers. Man sollte also im Eifer des Gefechts nicht erwarten, dass alle Einheiten aktiviert werden können. Da die Einheiten jeweils unterschiedliche Werte für die Befehle haben, führt dies zu interessanten Aktionspriorisierungen und Risikomanagement. Die wenigsten Truppen werden komplett ausgelöscht, einmal angeschlagen kommen sie jedoch sehr schnell in einen Bereich, in welchem sie Fliehen und ein Sammeln unwahrscheinlich wird. Geht aber der Moraltest völlig daneben, löst sich die Einheit einfach auf. Ritter (Men At Arms), besonders abgesessene, haben einen hohen Kampfwert, sind aber nicht ideal um Szenarien zu gewinnen. Am anderen Ende der Skala sind Leibeigene wirklich zu nichts Anderem zu gebrauchen, als Gelände zu halten. Wieder einmal ist Gelände einer der großen Gleichmacher im System, da nur wenige Einheiten dort mit ihren normalen Kampfwerten kämpfen können.

Mein persönlicher Eindruck

Um ehrlich zu sein – das klassische Mittelalter ist (noch) nicht so meine Epoche. Aber „Lions Rampant“ hat mich beinah sofort überzeugt. Es mag daran liegen, dass es einfach der Erstling in der Regelwerksfamilie ist und der Autor sichtlich Begeisterung für die Epoche mitbringt- aber gerade die Designkonzepte (Spaß, Zugänglichkeit, kurze Spielzeit, historisches Gefühl, Spielfluss wichtiger als Simulation, narrative Szenarien, anpassbare Einheitenliste, Karikatur & Gefühl wichtiger als historisches Detail) hatten mich von Anfang an überzeugt. Etwas skeptisch wurde ich bei den Einheitenlisten, die bei Kavallerie und Infanterie jeweils die gleich Abstufungen hatten (Man-At-Arms, Serjeant, Yeomen). Jedoch gelingt es über die Optionen der Einheiten ihnen jeweils eine eigene Note zu geben. So sind zum Beispiel klassische Ritter (Mounted Man-at-Arms) sehr viel unberechenbarer als die sehr stabilen Ritter zu Fuß. Andere Reiter sind für Positionsspiel besser geeignet, haben aber weniger Angriffswucht. Sehr gelungen finde ich auch, dass Armbrust- und Bogenschützen jeweils eigene Rollen und Nischen haben – gerade bei der manchmal anhaltenden britischen Verklärung der Langbogenschützen keine Selbstverständlichkeit. Insgesamt scheinen mir im Vergleich zu anderen Regelwerken des Systems die Rüstungswerte relativ hoch, doch das muss man in der Praxis testen. Man gewinnt ja nicht unbedingt indem man alle Einheiten des Gegners ausschaltet.

Auch die vorgeschlagenen Armeezusammenstellungen für verschiedenen Epochen halte ich für intuitiv . Sehr erfrischend finde ich, dass hier für Anregungen für die historischen Zusammenstellungen von Einheiten nicht nur auf die Osprey-Bücher verwiesen wird, sondern auch auf die Wargames Research Group und Field-of-Glory-Bücher.

Fazit

„Lions Rampant“ hat mich voll überzeugt! Das Buch finde ich besser lesbar und leichter verständlich als andere Regelwerke von Osprey. Es scheint mir perfekt geeignet um bunte Ritter durch die Gegend zu schubsen und eine Konfliktgröße abzubilden, die ich sehr angenehm und interessant finde. Die Einheiten-Optionen finde ich intuitiv, jede Einheit hat eine klare Rolle und alle Truppenkategorien sind berücksichtigt.

Was haltet ihr von „Lion Rampant“? Wann stellt ihr eure nächste Armee für den 3. Kreuzzug, den 100-Jährigen-Krieg oder eine mitteleuropäische Erbfehde auf? Und habt auch ihr schon Mal die Rüstungsspirale erlebt, wer schneller seine Ritter anmalen kann? Lasst es mich wissen. Wir freuen uns auf eure Kommentare.

Euer Christian

Über Christian

Christian begann als Gastautor und bissiger Kommentator, wurde dann Redakteur im Blog und gehört inzwischen zu den "Großen Alten" Trotzdem ist es immer noch für sein zu schnelles Reden bekannt und für seine Klugkoterei berüchtigt. Obwohl er kein Historischer Wargamer ist, ist er einer der "HistoSpacken" der Redaktion. Sein Fokus im Hobby liegt auf Freebooter's Fate, Summoners, Geländebau (aktuell gerade 1:1 Maßstab) und Hobbyphilosophischem. Ganz allgemein spielt er lieber Skirmischer als Rank&File-Massensysteme

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6 Comments on “Hobbytagebuch – Review Lion Rampant”

  1. Also ich find Lion Rampant echt cool und spiele es hin und wieder mal in meiner Spielergruppe- Habe hierzu eine 24 Punkte Liste für die Burgunder und auch für die Kurkölner zur Zeit des Limburgischen Erbfolgestreits., die wahlweise dann auch auf Gruppenbasen für Hail Cäsar oder Deus Vult eingesetzt werden kann. 🙂

    Gerade um wie von dir beschrieben in einem lockeren Spielchen mal ein paar Figuren über den Tisch zu bewegen ist das System echt klasse, da simpel und doch gut spielbar. Allerdings sollte man wegen der Aktivierung von Einheiten bzw. der Tatsache, dass dann der Turn für den Spieler endet, etwas frustresistent sein. Wir hatten mal ein Spiel (dieses Szenario, wo quasi eine Seite diagonal über den Tisch entkommen muss), wo meine Burgunder gegen die Neusser meines Gegners lange nichts gemacht haben weil sie ständig die Aktivierung vergeigten. Dadurch war der Gegner schon auf der Mitte des Tisches, bevor meine Truppen anfingen zu agieren.

    Habe da auch schon von einigen Leuten gehört, dass sie Lion Rampant deswegen nicht mögen, weil das halt manchmal zu glücksabhängig ist. Kann ich verstehen, stört mich persönlich jetzt aber nicht so. Neuere Osprey-Systeme, die auf dieser „Rampant-Engine“ aufbauen wie The Men that would be Kings oder Rebels & Patriots lösen das ja so, in dem Sie jeder Einheit eine bestimmte Aktivierung zugestehen, die immer funktioniert.

    Ach ja, und man merkt dem System ein wenig an, dass es von der Insel stammt, wo ja Waffenknechte zu Fuß soweit ich weiß im Vergleich zu berittenen Men-at-Arms in vielen Schlachten eine größere Rolle spielten als auf dem Kontinent. Dadurch sind die die Foot Knights finde ich im vergleich zu den Mounted Men-At-Arms deutlich tougher und effektiver. xD

    1. Das mit der Infanterie ist gut beobachtet, und darauf geht ja der Autor in den Vorschlagslisten intensiv ein. So ist seine „frühe“ Engländerliste noch relativ Kavallerielastig, die „späte“ Engländerliste hingegen klassische „Bill&Bows“ mit abgesessenen Rittern, wie es bis in die Rosenkriege aktuell war. Die Schotten haben generell schlechte Kavallerie, so dass ihre Ritter als „Mounted Serjant“ betrachtet werden und sie viel Schiltron-Infanterie besitzten. Mongolische Kavalerie ist aber schon sehr gut!
      Ob man den abgesssenen Rittern nun noch volle Kampffähigkeit im Gelände geben musste, ist Geschmackssache, passt aber dazu, dass diese Einheit nicht auf Formation angewießen ist

      Insgesamt finde ich aber gut, dass die (Reier)-Ritter nicht so überpowert sind, denn durch die realtiv hohe Rüstung ist Abschießen gar nicht so effektiv gegen sie und die historische Gegenmaßname Schiltron macht halt die Einheiten unbeweglich, so dass man auf das Locken des Wild Charges in die Speere angewiesen ist.

      Mein Erstkontakt mit dem System war ja „Pikeman’s Lament“, wo das Pentant der „Gallopers“ auch sehr hart ist, und keinen Wild Charge besitzt – dafür ist die Rüstung aber auch geringer. Die muss man dann erschießen oder mit dem Pikenblock abfangen, denn hier sind die Pikenblöcke ja dann beweglich und können echt brutal effektiv werden, solange sie nicht viel maschieren müssen.

  2. Ich habe damals die Neusser gespielt, von denen Ferro sprach.
    Also, es ist durchaus frustrierend, aber es bildet auch ganz gut diese semi-professionelle Kriegsführung der Zeit ab.
    Und ja, die Foot Knights sind zu stark und ja, das ist so ein englisches Ding, sie sind immer zu stark. Lanfbogenschützen übrigens auch oft, bei Lion Rampant aber nicht. Das passt wiederum auch gut zur mittelalterlichen Kriegsführung. Bei den Gefechten, die LR abbildet, hätte man auch einfach viel wahrscheinlicher auf Armbrustschützen zurückgegriffen.

    Unsere Miniaturen zum Limburger Erbfolgekrieg kannst du hier sehen:
    https://youtu.be/xiivQo_w9Yc

    Meine Sammlung gibt es auch noch im Sweetwater Forum:
    https://sweetwater-forum.net/index.php?topic=22931.0

  3. Ich empfehle dir den Blick in das „neue“ Kreuzug-Buch für Lion Rampant, Crusader States. Das ist noch runder und durch religiöse Buffs, Ausrüstung usw. noch etwas tiefer, ohne kompliziert zu werden.

    1. mir ist keine deutsche Übersetzung bekannt, allerding habe ich das Regelwerk so häufig auf Tactica oder anderen Conventions gesehen, da mich eine Fan-Übersetzungs-Zusammenfassung nicht überraschen würde.

      Ist aber wirklich leicht lesbar, vor allem wenn man sich auf die Kernregeln und Profile konzentriert.

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