Kill Team 2.0 – „Nicht wie WH40K, aber dafür gut!“

Moin zusammen!

Um mich nochmal zu zitieren: Mist! – ich gebe Games Workshop bei vollem Bewusstsein Geld und habe im Rahmen eines Projekts sogar einen Warhammer-Laden aufgesucht!
Denn auch bei mir ist der „Kill Team“-Hypetrain angekommen und ich gedenke mitzufahren.

Und ja, ich weiß, der Titel ist übles Click-Baiting, aber beschreibt meine differenzierte und komplexe Haltung zu Games Workshops „Warhammer 40.000“. Denn ginge es nach mir, wäre WH40K ein anderes Spiel, mit anderen Schwerpunkten im Spielverlauf und Hintergrund, vermutlich sogar einem anderen Maßstab. Aber jetzt gibt es ja Kill Team 2.0!

Wer mich kennt, weiß, dass ich mich von Unboxings eher fernhalte. Wenn ihr aber mehr über die Modelle für Figuren und Gelände erfahren wollt, empfehle ich euch die Videos von Bier&Bretzel-Tabletop, TWS oder Diced, die sich doch schon frühzeitig dieses Themas angenommen haben. Ich habe mir die Octarius-Box auch wegen des Materials gekauft, aber eben auch, um einen möglichst simplen Einstieg zu haben. Kurz: auch wenn ein paar Geländeteile schon aus der Mek-Werkstatt der Orks bekannt sind, wissen Modelle und Gelände zu beeindrucken.

Ich will mich eher dem Spielverlauf und den Regelbüchern von Kill Team 2.0 widmen, da ich dazu noch keine ausreichende deutsche Rezension gefunden habe. An Daten beziehe ich mich hier auf die Bücher der Octarius-Box (auf Englisch), mein Zugriff auf das englische Kompendium war vorhanden, aber eingeschränkt. Verzeiht mir daher bitte, wenn ich bei englischen Regelbegriffen bleibe, die deutschen Versionen werden noch den Weg zu mir finden. Intensive Spieltests konnte ich noch nicht durchführen, nur ein paar Testfiguren durch das Gelände schieben. Inzwischen sind auch schon erste Errata angekommen.

Vergangenheitsbewältigung

Das alte Kill Team von 2018 litt unter ein paar Problemen:

  1. Es war nicht Necromunda – dessen Nostalgie-Fans sind aber nun (finanz-) stark und kritisch
  2. Es war ein Hinführungsprodukt zu WH40K
  3. Es war aber auch keine Kampfpatroullie, die vermutlich das sinnvollere Produkt dafür ist
  4. Deswegen waren die Regelmechaniken aber sehr an WH40K angepasst, die Modellprofile entsprachen weitgehend den WH40K-Profilen
  5. Um damit aber einen vernünftigen Skirmisher spielen zu können, musste das System weniger tödlich werden.
  6. Was dazu führte, dass es, ganz WH40K-like, einen Haufen Rettungswürfe gab, was gerade bei gut gerüsteten Teams dazu führte, dass man viele Schüsse brauchte um stochastisch mal einen „Glücks“-Treffer zu landen.

Kurz gesagt: Es war kein Spiel für mich 🙂 und WH40K ließt mich damals sowieso kalt. Daher beschränken sich meine Kill Team 1.0 Erfahrungen auf Analysen aus zweiter und dritter Hand.

Neue Besen, die gut kehren

Kill Team 2.0 setzt regelmechanisch ganz neu an. Die Profile wurden neu zusammengestellt und auf die Bedürfnisse eines Skirmishers angepasst. Was vor allem heißt, dass die Modelle mehr Lebenspunkte haben durch die man sich hindurchfräsen muss. Ansonsten versucht sich das Spiel nicht weiter von WH40K zu entfernen, als es unbedingt muss.  Einen klassischen WH40K-Rüstungswurf gibt es auch nicht, viel mehr einen Pool an Verteidigungswürfeln der, zusammen mit einem Verteidigungswert, dazu genutzt wird gegnerische Treffer abzuwehren. Den kann man durch Deckung verbessern. Aber zu viele Treffer heißen hier: Schaden, den man nicht verhindern kann. Verwundungswürfe gibt es keine mehr, allerdings können kritische Trefferwürfe (i.a. die 6) zusätzliche Effekte wie „mehr Schaden“ triggern und auch nur durch kritische Verteidigungswürfe abgewehrt werden.

Besondere Brutalität herrscht im Nahkampf, wo beide Parteien gleichzeitig ihre Nahkampfwürfel werfen, dann die Spieler aber, beginnend mit dem Angreifer, abwechselnd ihre Würfel für Schaden zuteilen oder gegnerische Würfel negieren. Das kann auch bei elitären Nahkämpfer dazu führen, dass ihnen unterlegene Gegner durchaus Schaden und damit deutliche Abnutzung zufügen, bevorteilt aber erst Mal den Angreifer.

Eine echte Neuerung ist, dass die Spieler immer abwechselnd ein Modell aktivieren (bei kleinen Modellen wie Grots und Ganten auch mal gleich zwei auf einmal), oder wie Diced-Dennis süffisant anmerkte: „…dass GWs Regelmechanik endlich im Jahr 2006 angekommen ist“. Das Modell generiert dann Aktionspunkte (im allgemeinen zwei, (Chaos) Space Marines drei) die man dann skirmisher-typisch für verschiedene Aktionen nutzen kann.

Ein echte Neuerung sind die beiden Zustände „Engage“ & „Obscure“, die man dem Modell zu Spielbeginn und bei der Aktivierung zuordnet. Diese entscheiden ob das Modelle schießen darf und unter welchen Bedingungen es verdeckt wird oder von Deckung profitiert. Das erlaubt, zusammen mit den Sonderregeln der Modelle und Fraktionen, einige interessante Kombinationen und vereinfacht durch Abstraktion tatsächlich einige Modelzustände anderer Skirmisher.

Und für Freunde der Zweiten Edition von WH40K – es gibt auch „Overwatch“, der es einem, an Modellen unterlegenen, Kill Team erlaubt, noch auf Aktivierungen eines kopfstärkeren Kill Teams mit Beschuss zu reagieren.

Klassische Games-Workshop-Kost

Über die Ansprüche an Regelbücher kann man sich lange streiten, ich kam mit denen aus der Octarius-Box gut zurecht. GW typisch sind im Regelbuch (Core Book) auch Hintergrund und WH40K-Fraktionen zu finden, erst ab Seite 51 beginnen die Regeln. Diese fallen dann angenehm knapp aus, denn ab Seite 81 geht es schon mit Missionen und Kampagnen-Regeln weiter. Das Octarius-Buch (Octarius) führt dann näher an den namensgebenden Konflikt heran und stellt auch die beiden Kill Teams der „Imperial Guardsmen Veterans“ und „Ork Kommandoz“ vor. Für alle weiteren Kill Teams muss man auf das Compendium zurückgreifen, welches dann aber wirklich reiner Regeltext ist und mehrere Kill Teams für alle WH40K Fraktionen vorstellt.

Ansonsten bleibt Kill Team einigen GW-Regeldesign-Philosophien treu und bietet die üblichen drei Wege: Freies Spiel, Narratives Spiel und Balanciertes Spiel. Freies Spiel heißt hier ein „simples“ Aufeinandertreffen zweier Kill Teams in einem einfachen Szenario um Missionsmarkerkontrolle. Für das balancierte Spiel werden mehrere Szenarien mit zusätzlichen taktischen und strategischen Optionen angeboten, die mit Command-Punkten bezahlt werden oder zusätzliche Nebenziele bieten. Besonders möchte ich hier den Stein-Schere-Papier-Ansatz des Scoutings hervorheben, wo über die drei Optionen „Fortify“, „Infiltrate“ und „Recon“ unterschiedliche Aufstellungsoptionen ins Spiel gebracht und die Initiative entschieden wird.
Das Narrative Spiel widmet sich dann einer ganzen Kampagne, in der man weitere Ausrüstungsoptionen erhält und sich das eigene Kill Team weiterentwickelt. GW macht es hier also sehr unterschiedlichen Spielansätzen recht, ob das wirklich gelungen ist, muss die Spielpraxis entscheiden. Mir gefällt der Ansatz.

Sonderbar ist das Messsystem. Das Bewegungssystem ist grundsolide, die Bewegung wird in diskrete Schritte unterteilt, wie man es aus Saga kennt und was im kompetitiven Umfeld auch sehr gut funktioniert. Die Wahl der Symbole für die Bewegungszonen ist aber ‚unintuitiv‘, dafür jedoch farblich schön gekennzeichnet. Mit den Schablonen aus der Box funktioniert das System gut, andernfalls muss man aber viel umrechnen.
Allerdings leidet es teilweise unter einem schlechten Layout im Regelbuch. Wenn genau auf der Seite, in der die Deckungsregeln erläutert werden, dauernd das schwarze Dreieck auf schwarzem Texthintergrund benutz wird, kann das schon etwas nerven. Da hat, kurz gesagt, jemand beim Seitensatz und der Fahnenkontrolle nicht aufgepasst. Immerhin ist der Schriftsatz größer als in den aktuellen WH40k-Codices, das kann aber auch an der englischen Ausgabe liegen.

Die Kill Teams

Neben der echten alternierenden Aktivierung, dem Befehl und dem Deckungssystem ist die Zusammenstellung der Kill Teams das wirkliche Novum. Sie funktioniert nämlich punktefrei und relativ restriktiv. Die Anzahl an Modellen und die Modellprofile sind einem weitgehend vorgegeben. Hier herrscht ein wenig eine Zwei-Klassen Welt. Die Kill Teams des Compendiums beruhen im wesentlichen aus Standardauswahlen von WH40K, die meist aus einer Starterbox der Fraktionen gebaut werden können. Das macht sie WH40K-generisch, aber dennoch flexibel. Ohne mich zu sehr in Details verlieren zu wollen: Die Optionen sind mannigfaltig und laden zum Spielen, aber nicht unbedingt zum Min-Maxen ein. Als (nicht-imperiales) Beispiel muss z.B. ein T’au-Kill Team aus zwei Feuerteams zu je drei XV25-Kampfanzügen oder je sechs Feuerkriegern/Spähern bestehen, die noch mit Drohnen, Spezialwaffenträgern usw. ausgetauscht werden dürfen. Das „Ecclesiarchy“-Kill Team besteht wiederum aus zwei Feuerteams zu je fünf Battle Sisters, Repentias oder Archoflagelanten, wovon letztere maximal nur ein Feuerteam bilden dürfen und man bei zwei Battle Sister-Feuerteams auch eine schwere Waffe mitnehmen kann. Anscheinend wurden auch schon ein paar Power-Kombinationen gefunden, dies kann ich aber noch nicht abschließend beurteilen, da in einem Missions-orientiertem Skirmisher die Wahrheit auf dem Tisch und im Spiel liegt – und nicht in der theoretischen Feuerkraft.
Im wesentlichen ist das Standardkost, aber niederschwellig, um aus seiner Armee ein Kill Team bilden zu können oder eines neu aufzubauen. Oder halt ein Dutzend.

Anders ist das bei den Kill Teams aus der Octarius-Box, die sehr viel individuellere Modelltypen besitzen, die über andere Bewaffnungen und Sonderregeln verfügen. Statt aus einem Anführer, normalen Soldaten und Spezialwaffen, bestehen diese Kill Teams aus Spezialisten wie Scharfschützen, Artilleriebeobachtern, Dakka-Boyz, Sprengsquigs oder Schlitza-Boyz. Die Profiländerungen im Vergleich zum Standardmodel sind nicht gewaltig, aber gerade bei Waffen und Sonderregeln wichtig.

Und da wir gerade bei Profilwerten sind. Mehrfach haben andere Autoren die Reduzierung der Profilwerte auf sechs positiv hervorgehoben. Ich sehe keine Reduzierung, da die Waffenregeln und Sonderregeln der Modelle ein so integraler Bestandteil sind. Und ich finde das auch gut so, da Kill Team ein echter Skirmisher ist, der individuelle Modellregeln und eben keine Einheitenregeln benötigt.

Fazit

Mir gefällt Kill Team 2.0! Die Zusammenstellung der Teams spricht sowohl Neueinsteiger, alte WH40K-Spieler, als auch kritische Wiedereinsteiger an. Die Regeln sind grundsolide und bieten ein echtes Szenariospiel auf Skirmisherebene. Und eben nicht nur das (von mir kritisierte) „Armee-Ausführen“ und „Miniaturen wegwürfeln“, mit dem man Sammler zufrieden stellen will. Umgekehrt bieten Ideen für Modellumbauten für Kill Teams auch Betätigungsfelder für Maler, Bastler und Sammler. Auch wenn ich den Eindruck habe, dass GW hier Mal wieder ein „Spiel“ und nicht nur Miniaturen verkaufen will. Zumindest hat GW direkt und über Zwischenhändler nun mehr Geld von mir gesehen, als in den zehn Jahren zuvor zusammen.
Ich hoffe, dass zukünftig noch mehr Produkte und vor allem, neue individuellere Kill Teams veröffentlicht werden. Denn gerade mit dem auf der GenCon angekündigten Produkt trifft GW genau meinen Sweetspot aus T’au, Sororitas und Orks.

Für einen englischen Überblick an Kill Teams aus dem Kompendium verweise ich auf GoonHammer.

Außerdem hatten wir im Stammtisch August 2021 am Anfang eine längere Diskussion, die auch mich zu Kill Team gebracht hat.

Was haltet ihr von Kill Team 2.0? Welche Team wollt ihr aufbauen? Oder sieht Games Workshop niemals mehr Geld von euch? Wir freuen uns auf eure Kommentare!

 

Euer Christian

Über Christian

Christian begann als Gastautor und bissiger Kommentator, wurde dann Redakteur im Blog und gehört inzwischen zu den "Großen Alten" Trotzdem ist es immer noch für sein zu schnelles Reden bekannt und für seine Klugkoterei berüchtigt. Obwohl er kein Historischer Wargamer ist, ist er einer der "HistoSpacken" der Redaktion. Sein Fokus im Hobby liegt auf Freebooter's Fate, Summoners, Geländebau (aktuell gerade 1:1 Maßstab) und Hobbyphilosophischem. Ganz allgemein spielt er lieber Skirmischer als Rank&File-Massensysteme

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One Comment on “Kill Team 2.0 – „Nicht wie WH40K, aber dafür gut!“”

  1. Vielen Dank für Dein Review! Ich selbst habe das neue Killteam 2 noch nicht gespielt und bin diesbezüglich auch eher zurückhaltend. Aber in Vergleich zu seinem Vorgänger scheint es Sachen besser zu machen, wie beispielse die abwechselnde Aktivierung.

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