Ich, (und) der Anführer

Charaktermodelle sind etwas tolles! Sie sind Hingucker, eine Möglichkeit für Bastler und Maler ihr Können zu zeigen und für Regeldesigner mal was Anderes oder Starkes zu erstellen. Und für den geschätzten Armee/Trupp/Bandenbesitzer sind sie  vor allem das Anführermodell, die persönliche Repräsentation auf dem Spielfeld, ein emotionaler Fokus.

Sind sie das? Wie wichtig sind Charaktermodelle als Anführer wirklich? Und bin ich, Christian, mal wieder der zynische Zigarillo-Beatnik mit schwarzem Rollkragenpullover in seiner Ecke, der alles doof findet? Dabei rauche ich nicht Mal und habe keinen Rollkragenpullover! Zeit sich das anzugucken.

Charaktermodelle gibt es viele in Spielen, das reicht vom Truppführer eines Rank&File-Regiments, über die Solos von Warmachine/Hordes, die benamten Spezialisten von Freebooter’s Fate bis hin zu historischen Kommandeuren. Diese Modelle gibt es in allen Abstufungen und Vervorhebungsgraden, sei es mit vorgegebenen Namen oder einem Namen, dem man sich ausdenken soll. Fokussieren will ich mich aber auf „das eine Modell“: den Anführer – und mir ist bisher noch kein Spiel bekannt, welches auf diesen verzichten würden. Denn teilweise wird dieses Modell ja auch als „Repräsentation des Spielers auf dem Spielfeld“ angesehen.

Eine Frage der Rolle

Dieses Anführermodelle hat nun eine Rolle – sei es modellbautechnisch, sei es narrativ oder sei es spieltechnisch. Der Warlock von Hordes ist der Dreh und Angelpunkt der Armee, ein Saga-Kriegsherr früher ein starkes Modell, inzwischen defacto eine Ein-Mann-Einheit. Der Anführer eines Infinity-Trupp ist ein ausgewählter Spezialist, dessen Identität meistens geheim gehalten wird, der Anführer einer „Freebooter’s Fate“-Mannschaft oft der dickste Fisch der Mannschaft. Noch zentraler wird es natürlich im historischen Wargaming, wo die Friktionen der Kommandokette auch eine Rolle spielen. Sei es, dass seine Anwesenheit die Befehle erleichtert, eine Moralblase schafft oder man tatsächlich Duelle mit dem gegnerischen Anführer austragen kann („Lions Rampant“ und seine Nachfolger) Und fangen wir gar nicht erst an von den Heroen der Games-Workshop-Spiele – nicht umsonst galten die ersten Editionen WHFB ja als „Hero-Hammer“
Jenseits der Spielmechanik, sind Anführer oft durch besondere Modelle und durch aufwändigere Umbauten und Bemalung gekennzeichnet

Zusammengefasst lassen sich folgende spieltechnische Rollen für einen Anführer finden

  • Befehlsgeber
  • Moralanker
  • Starker Kämpfer

Unterschiedliche System betonen dabei unterschiedliche Aspekte.

Wider das Helden-Syndrom

Ich bin ehrlich – ich mag das Konzept des Helden-Anführers nicht- ich mag Anführer und Kommandeure und verabscheue Superhelden. Am Augenfälligsten wurde dies mir bei den Editionswechseln von WH40K, Saga und Bolt Action.

Bolt Action arbeitet mit dem Konzept des „verstärkten Zugs“ / „reinforced platoon“, und dieser wird natürlich von einem Offizier als Zugführer kommandiert, was alles zwischen einem einfachen Leutnant bis hin zum Major sein kann. Der wird von wenigen Stabssoltaten begleitet, hat nun keine besonderen Waffen und gab in der ersten Edition vor allem Moral und Aktivierungsvorteile. Mit der zweiten Edition erlaubt er aber auch weitere Einheiten direkt zu aktivieren, die sich in seiner Umgebung befinden. Man spürt also einen deutlichen Aktivierungsvorteil in seiner Näher, weil er, nun ja, eben seinen Zug kommandiert. Als Modell stirbt er genauso schnell, wie jedes andere Modell – mich spricht das an. Aber Bolt Action will ja auch ein „casual, aber historisch plausibel“ Gefühl erzeugen.

Für eine Saga-Bande ist der Kriegsherr ein zentrales Modell – und das merkt man auch an den Regeln und dem Kampfprofil eines Kriegsherrn, der einerseits Einheiten anführt, mit ihm in einen Kampf zu stürmen, andererseits selbst ein Einheitenprofil besitz, um Kämpfe auszufechten. In der ersten Editon führte dies zu vielen Sonderfällen, wenn Kriegsherr und eine Einheit gemeinsam gleichzeitig angriffen, für die zweite Edition wurde das deutlich vereinfach. Mit dem Effekt, dass nun der Kriegsherr als ein Modell, die Kampfkraft eines ganzen Kriegerblocks haben kann, da er alleine in Kämpfe gehen muss. Nun könnte man das mit etwas Modellbau umgehen, in dem man statt dem Kriegsherr quasi eine ganze Anführereinheit auf die Base setzt. Dem steht aber ein wenig die Saga-Konvention „Ein Modell – ein Lebenspunkt“ entgegen, so dass diese Anführerbase eben genau wie ein Modell behandelt wird, mit all den Regeln die halt als Ein-Modell-Einheit benötigt um Kämpfe gegen Einheiten aus 4-12 Modellen zu überstehen.
Ein Seiteneffekt ist noch die „Ehre des Kriegsherren“, die Kriegsherren zwingt, sich in Duellsituationen mit einander zu begeben. Für die Epochen und Szenarien in denen Saga typischer Weise spielt ist das ganz passend – dennoch gehöre ich zu den Spielern, die das eher aktiv vermeiden würden, wenn ich nicht 85% sicher bin, das Gefecht auch zu gewinnen

Kommen wir zu WH40K, wo auch jeder Armeeorganisationsplan oder Kontingentplan von mit verlangt HQ-Modelle aufzustellen. Und schauen wir Mal was für Modelle das in den älteren Editionen waren. Dicke Fische mit hoher Moral und hohem Kampfwert. Helden, die vielleicht Mal die Moral naher Einheiten erhöhen, einzelne Einheiten anführen können und eventuell eine interessante Ehrengarde-Option besitzen oder eine Auswahlsoption freischalten. Im besten Fall eine weitere Helfereinheit, meistens aber nichts für die Armee als solche. Einen Anführer stelle ich mir anders vor. In den letzten Editionen sind aber Aura-Fähigkeiten üblicher geworden, die tatsächlich einen Bonus für nahe befreundete Einheiten bringen. Solche Synergien mag ich. Dennoch gibt es nach wie vor die Tendenz, das HQ-Charaktere „stark“ sein müssen, die durch die aktuelle Tendenz von Großmodellen wie den neuen Ghazkull der Orks oder Morvenn Vahl der Adepta Sororitas hervorgehoben werden.

Ich will nicht der Anführer sein!

Wie man vielleicht heraus hört. Ich mag Synergien des Anführers mit seiner Armee, ich mag aber keine Superhelden. Je größer die Skala eines System wird, um so wichtiger ist dies für mich. In einem Skirmisher muss jedes Modell kämpfen. In „Frostgrave“ sticht der Magier, in „Ghost Archipelago“ der Heritor extrem hervor, und wird von mir gestaltet. Und Warmachine/Hordes sind Warcaster und Warlocks systemimmanent die stärksten Modelle  – aber sie alle agieren in Symbiose mit ihren Gefolgsleuten. Schon in frühe „Lions Rampant“ Systemen des Mittelalters und der frühen Neuzeit finde ich gut, dass der kommandierende Offizier einfach als ein Modell in eine bestehende Einheit eingebettet wird und sich in einer Kampagne entwickeln kann  – und nervt es mich, dass er eventuell ein Duell mit dem gegnerischen Kommandanten ausfechten muss.

Mag ich dem Modell des Anführer auch gern viel Aufmerksamkeit widmen, er eben für mich nicht „meine“ Repräsentation auf dem Spielfeld. Wenn er vom Spiel schon einen Eigennamen hat sowieso, aber auch wenn ich ihn selbst entwerfen muss, weil das Systeme es von mir verlangt. Er ist für mich ein wichtiges und zentrales Modell, das mit der Armee synergisieren soll und sich nicht als „Dickster Fisch“ durch die halbe gegnerische Armee fräst. In Warmachine nannte man solche Caster „Super-Solos“ – und ich habe sie nie gespielt.

Wie geht es euch mit dem Anführer? Verkörpert er euch auf dem Spielfeld und trägt einen coolen Namen aus eurer Feder? Oder ist er nur ein weiterer spielmechanischer Baustein eures Triumphs?

Ich freue mich auf rege Diskussion.

Über Christian

Christian begann als Gastautor und bissiger Kommentator, wurde dann Redakteur im Blog und gehört inzwischen zu den "Großen Alten" Trotzdem ist es immer noch für sein zu schnelles Reden bekannt und für seine Klugkoterei berüchtigt. Obwohl er kein Historischer Wargamer ist, ist er einer der "HistoSpacken" der Redaktion. Sein Fokus im Hobby liegt auf Freebooter's Fate, Summoners, Geländebau (aktuell gerade 1:1 Maßstab) und Hobbyphilosophischem. Ganz allgemein spielt er lieber Skirmischer als Rank&File-Massensysteme

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4 Comments on “Ich, (und) der Anführer”

  1. Alles auf dem Feld ist nur ein Bauer… ich, der General, bin ja nicht auf dem Brett. Kann sein, dass ich das anders sehen werde, wenn ich mit Frostgrave angefangen habe (oder anderen Spielen wo sich Charaktere entwickeln können) aber in einem Spiel wo auch benannte Figuren sterben können und dann im nächsten Spiel wieder dabei sind… STIRB! Hauptsache ich habe den Siegpunkt 😉

  2. Hm, ich finde die Anführerin immer ein Schlüsselmodell für die Bemalung und auch gerne als Centerpiece – daher finde ich GWs aktuelle (?) Tenzendenz zum Großmodell gar nicht sooo schlecht. Und meine Krabbelmonster hatten da schon immer große Modelle.

    Aber ja – HeroHammer bei Kleinmodellen ist auch nicht so meinst, das hat Bolt Action wirklich gut gelöst.
    Muss mich Mal an Roter Armee probieren,da könnte ich sogar eine Frauentruppe malen…

  3. Hallo zusammen,

    ich muss sagen, dass es mir da sehr ähnlich geht wie dir Christian. Mir sind die einfachen Soldaten meiner Armee meistens mehr ans Herz gewachsen wie die Anführer. Da kommen mir historische Spiele meistens auch eher gelegen denn dort sind Anführer oft nur Marker, die die eigenen Truppen verstärken können (z.B. Field of Glory). Auch das von dir genannte Boltaction finde ich in dieser Hinsicht sehr gelungen dort ist der Anführer auch eher der Moral- und Aktivierungsspender und kein überkrasser Einzelkämpfer. Bei Saga hat mich das oft auch eher gestört, dass ein Modell so viele Attacken hat und und eigentlich wie eine kleine Einheit kämpft. Daher habe ich früher beim historischen Saga oft einen Priester als Warlord gespielt oder nun bei Sage Age of Magic eben einen Magier. Somit kam das meinem Spielstil immer eher zugute.

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