Bretthart: Die großen Abenteuer der kleinen Hobbits

Moin!

Lange galt Tolkiens „Herr der Ringe“ als unverfilmbar, bis 2001 Peter Jackson das Wagnis eingegangen ist und der Erfolg der Filmtrilogie gab ihm Recht. So wurde – wie wir alle wissen – auch der Hobbit opulenter als seine Buchvorlage als Dreiteiler umgesetzt und um diverse weitere Storybestandteile aus Mittelerde ergänzt.

Warum starte ich mit dem Thema Verfilmung in den Artikel über ein Brettspiel aus dem Jahr 1995? Weil die Verfilmung das optische Bild aller Veröffentlichungen rund um das Thema Herr der Ringe, Hobbit und Co. nachhaltig beeinflusst hat. Und auch die Stimmung der Erzählungen wurde düsterer und morbider. Aus dieser Warte finde ich es spannend zu beobachten, wie mit der Lizenz Mitte der 90er umgegangen wurde, denn bevor vor allem Herr der Ringe, Big Bang Theory und Co. nerdigere Themen salonfähiger gemacht haben, waren Fantasy-Publikationen jenseits einer Rollenspiel-affinen Fangemeinde alles andere als hip.

 

 

 

Die großen Abenteuer der kleinen Hobbits

Und so haben wir hier ein farbenfrohes, fröhlich gestimmtes Brettspiel mit dem Namen „Die großen Abenteuer der kleinen Hobbits“. Im englischen Original „The Hobbit – Adventure Boardgame“, zuerst veröffentlicht 1994. Inhaltlich bewegt sich dieses Abenteuerspiel zeitlich zwischen „Der Hobbit“ und „Herr der Ringe“ und so spielt man nicht Bilbos Reise zum einsamen Berg nach, sondern begibt sich als einer von bis zu vier jungen Hobbits, inspiriert durch Bilbos Erzählung seiner Erlebnisse, auf eine Reise zur Bezwingung eines Drachen in Carn Dum.
Basis dieser Abenteuerreise ist eine (sehr schön) gestaltete Karte der nördlichen Mittelerde als Spielbrett. Auf dieser sind viele prägende bekannte Orte dargestellt, die man bereisen kann. Dabei bieten die einzelnen Felder, je nach Begebenheit, unterschiedliche Möglichkeiten. In fünf Städten wie Bree und Hobbingen kann man einkaufen, unterwegs auf der Wetterspitze kann man Abenteuer bestehen und als Gefahr eingestufte Regionen wie die Minen von Moria beherbergen die stärksten Monster, bieten aber auch die Talismane, die man zur Bezwingung des Drachen benötigt.

Spielablauf

Wie besiegt man als Hobbit also einen Drachen? Man muss stärker werden. Durch Waffen und Rüstung kann man etwas Kampfkraft generieren, weitere Boni kann man durch Wegbegleiter erlangen, die man unterwegs zufällig trifft. Essentiell sind aber vier verschiedenfarbige Talismane, die man kaufen oder durch Kämpfe erringen kann. Durch die Kombination dieser Boni und mit etwas Glück, kann man sich schlussendlich nach Carn Dum wagen und den Kampf mit dem Drachen aufnehmen. Wer ihn als erster besiegt, gewinnt das Spiel!
Besonders schön sind dabei die unterschiedlich gestalteten Orte und was man dort erwarten kann. Betritt man zum Beispiel ein Abenteuer-Feld (die am häufigsten vertretenen Felder auf dem Brett) zieht man eine Abenteuer-Karte und diese können sehr viele verschiedene Ereignisse enthalten. Hier trifft man schwächere Monster, Händler, Zufallsfunde in Ruinen, Begleiter wie Bilbo, Streicher oder Gandalf oder kann auch Ruinen oder Höhlen erkunden. Rollenspiel light für Einsteiger (empfohlen ab 10 Jahren).

Auf den Wagnis- und Gefahren-Feldern trifft man auf stärkere Monster, die allerdings auch höhere Gold-Belohnungen oder eben die heiß begehrten Talismane versprechen, die man zwingend für den Kampf mit dem Drachen benötigt.
Außerdem gibt es neben den bereits erwähnten Städten noch Zauberfelder, unter die auch die Elbenstätten Lorien und Bruchtal gefasst werden, in denen man sich heilen lassen kann. Die Zauberspruch-Karten, die man hier zufällig erhält versprechen starke Boni und sind sehr wertvoll!
Und was wäre ein Hobbit ohne eine Rast? Jetzt könnte man meinen – wie in Rollenspielen üblich – dass man über eine Rast einfach eine Runde aussetzen und Lebenspunkte heilen kann (bis zu zwölf stehen jedem Spieler zur Verfügung), nein. Man zieht zwei zufällige Rast-Karten unter denen sich starke Verbündete, Zufallsfunde, aber auch Monster befinden können. Eine schöne Vorstellung, dass der Rast selbst ein hoher Stellenwert bei den Hobbits beigemessen und wichtiger Bestandteil des Spiels ist.

 

Die Umsetzung der Welt

Man ahnt es schon, es wurde nicht einfach einem Spiel der Titel „Hobbit“ verliehen, sondern man hat sich deutlich bemüht die Vorlagen in das Spielsystem und dessen Mechaniken einzuarbeiten. Ein Beispiel: eine der vielen Abenteuerkarten beinhaltet das Treffen mit einer Gruppe von Zwergen, die einem eine Rüstung schenken, wenn man seine Pfeife mit ihnen teilt. Eine Pfeife gibt es allerdings nur in Hobbingen zu kaufen und auch nur, wenn man beim Kauf zufällig die passende Karte zieht. Hat man über eine Rast-Karte aber z. B. einen Zwergenbegleiter erhalten, muss man bei jedem Betreten einer Elfenstätte mit einem W6 auswürfeln, ob der Zwerg die Treue hält oder keine Lust auf die Begegnung mit den Langohren hat. Trifft man unterwegs auf einen Bären und kann diesen Besiegen, darf man sich in seiner Höhle nach Schätzen umsehen, sofern man eine Laterne besitzt. Und sieht man in einem Brunnenschacht etwas funkeln, benötigt man ein Seil, um den Schatz zu bergen. Äxte gibt es nur bei Zwergen und selbst die Preise variieren leicht – es wurde an viele Details gedacht, aber das Spiel nicht unnötig verkompliziert. Die Regeln sind einfach, die Ausarbeitungen kleinteilig aber nicht komplex.

 

Die Würfel

So begeht man das Spielbrett mit sehr abwechslungsreichen Begegnungen und sucht sich nach und nach seine Unterstützungen. Ein W6 mit den Zahlen 1-3, bei dem eine 3 durch einen Adler ersetzt wurde, der einen quer über das Brett fliegen kann, bestimmt in jeder Runde die Bewegungsreichweite. Über einen W6 werden sehr viele Werte bestimmt, wie z. B. die Stärke von Monstern, die Höhe von so manchen Goldfunden, oder ob einem bei einem Ereignis angetroffener Zaubersud, sein Schwert nachhaltig stärkt oder zerbröselt. Der Zufall spielt also eine relativ große Rolle, was ich für das Hobbit-Thema sehr gelungen finde!
Für die Kämpfe benötigt man schließlich drei rote Kampfwürfel. Jeweils W3, nur das die Zahlen 1-3 einmal als Ziffern und einmal als Augen auf die sechsseitigen Würfel aufgebracht sind.

Der Kampf

Und das Kampfsystem ist eine besonders hervorzuhebende Eigenheit dieses Spiels. Zieht man eine Monsterkarte steht dort die Stärke des Monsters angegeben, z. B. 4+W6. Diesen erwürfelten Wert gilt es nun mit seinen Boni und dem mit drei Würfeln ermittelten Wert mindestens zu erreichen. Dabei darf man die drei roten Würfel, ähnlich wie bei Kniffel, bis zu drei mal neu würfeln oder auch zur Seite legen. Man addiert aber nicht einfach alle Wert, sondern trennt zwischen Ziffern und Augen und zieht vom höheren den niedrigeren Wert ab. Hat man z. B. die Ziffern 2 und 3 und als Augen die 1 erwürfelt, würde man die beiden Ziffern zu 5 addieren und die 1 (Augenzahl) davon subtrahieren. Es ergibt sich ein Kampfwert von 4. Würde man nun die Ziffer 2 neu würfeln und die übrigen Würfel halten wollen, und erhält stattdessen eine 2 als Augenzahl, hätte man nun eine 3 als Ziffer und die 1 und 2 als Augen würden ebenfalls 3 ergeben. Von einander subtrahiert ergäbe sich nun ein Kampfwert von 0.
Man sieht also, Glück und Zufall spielen beim Kämpfen eine große Rolle, denn durch den Wechsel zwischen Augen und Ziffern, ist ein guter Kampfwert nicht berechenbar und zwischen 0 und 9 ist alles drin!
Gewinnt man den Kampf, erhält man Goldmünzen in Höhe der angegebenen Schatzkarten auf der Monsterkarte. Verliert man, gibt man einfach die unten angegeben Lebenspunkte ab. Heiltränke können dabei zusätzlich im Kampf stärken oder Lebenspunkte wieder auffüllen.

 

Der Rätselwettkampf

Letztendlich gibt es noch eine besondere Art der Interaktion. Treffen zwei Spieler auf einem Feld aufeinander, können sie einen Rätselwettkampf austragen. Dazu spielt man eine der zuvor erhaltenen Rätselkarten aus. Der Gegner muss die passende Rätsel-Antwort Karte nun seinerseits ausspielen und kann, bei Erfolg, ebenfalls ein Rätsel stellen und so versuchen dem Gegenüber eine Ausrüstung abzunehmen.

Die Figuren

Last not least aber letztendlich eher ein Randdetail: die Spielfiguren sind vier verschiedene Hobbitminiaturen aus Metall. Grau grundiert mit farbigem Sockel. Fein detaillierte Minis von Mithril, die seinerzeit noch die Lizenz für Herr der Ringe und Co inne hatten. Für Tabletopper ja kein ganz unwesentliches Detail! Die englische Version hatte im Vergleich stattdessen vier (gleiche) Plastikfiguren.

 

Das Rundumpaket

Ich hatte zunächst nur die Anleitung gelesen und mir gedacht „ok, ein weiteres Spiel im Stil von Talisman und Co… level Dich bis zum Bossfight auf und fertig“. Aber beim Spielen mit meiner neunjährigen Tochter (die übrigens ganz begeistert ist von diesem Spiel!) stellt man aber schnell fest, dass dieses Spiel viel mehr ausmacht, denn in jeder Spielmechanik nimmt man inhaltlichen und sogar technischen Bezug zu seiner Vorlage. Das wären natürlich zuerst die schön gestaltete Karte und die Originalschauplätze. Dazu die Referenzen unter den möglichen Begleiterkarten. So ist z. B. Gandalf ein sehr starker Verbündeter, aber nur einmal als Karte zu finden und auch nur beim Drachenkampf richtig effektiv. Das Implementieren der Rast, die Rätselwettkämpfe und die Tatsache, dass man den Hobbit nicht an sich stärker werden lässt für den Endkampf, sondern, dass seine Stärke hauptsächlich durch Begleiter und Talismane erlangt wird, runden das Paket ab. Man hat nicht einfach auf ein bestehendes System eine Lizenz aufgeklebt, sondern rund um Tolkiens Welten ein stark zufallsabhängiges, liebevoll ausgearbeitetes Gesamtpaket geschnürt, das als Einstieg in Rollen- oder Abenteuerspiele auch jüngeren Spieler*innen Spaß macht.

Auf deutsch erschien das Spiel meines Wissens nach 1998 von Queen Games und wurde auch nicht wieder neu aufgelegt. Ich denke, die Verfilmungen und entsprechende neue und teurere Lizenzvergaben, haben weitere Veröffentlichungen verhindert. Jedoch gab es noch ein weitere Spiel von Queen Games mit Herr der Ringe Thematik, aus der gleichen Zeit, mit ähnlicher Optik, aber komplett anderem Spielsystem. „Die Ringgeister“ ist gebraucht erhältlich, wurde tatsächlich auch später nochmals veröffentlicht und gebraucht gut zu finden. Es befindet sich noch nicht in meiner Sammlung, aber das könnte sich bald ändern. 🙂

 

Bis zum nächsten Mal,

Euer Daniel

6 Comments on “Bretthart: Die großen Abenteuer der kleinen Hobbits”

  1. Wieder einmal eine sehr schöne Vorstellung 🙂 Danke dafür 🙂
    Ich find es immer spannend was es früher schon so alles für Spiele gab 🙂 ich selbst bin ja erst in den frühen 2000er richtig ins Hobby und auch in die Brettspielwelt eingestiegen. Daher kenne ich diese ganzen Spiele nur aus Erzählungen.

  2. Wow, das Spiel liegt hier bei mir im Regal, habe das damals gekauft und viel gespielt und richtig schön in Erinnerung, müsste ich mal wieder rauskramen und spielen. Vor allem fand ich die Artworks auf den Karten früher immer deutlich schöner als heute. Und dazu noch das Comicbuch vom Hobbit, auch so ein ähnlicher Stil, schöne Zeichnungen und warme Farben. Ich finde ja, das die Spiele damals einen gewissen Charme hatten, der heute teilweise fehlt…

    1. Ja, ich finde auch der Wiederspielwert ist durch den hohen Zufallsfaktor definitiv da. Ein heimeliges Spielchen und die Darstellung der Herr der Ringe Welt war definitiv vor der Verfilmung unbeschwerter.

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