Würde man mich auf eine einsame Insel aussetzen, und ich dürfte nur ein einziges Kartenspiel mitnehmen, wäre es vermutlich Netrunner (Da Netrunner ein reines Zweispieler Spiel ist, hätte ich zwar keine Mitspieler, das klammern wir aber aus Gründen der Dramatik einfach mal aus). Warum Netrunner das beste Spiel aller Zeiten ist, und warum 28 Jahre nach der Erstveröffentlichung ein perfekter Zeitpunkt zum einsteigen ist, lest ihr in diesem Artikel.
Die Geschichte von Netrunner
Netrunner wurde 1996 von Richard Garfield entwickelt. Falls ihn jemand noch nicht kennen sollte: Der Mann hat die Welt mit einigen schönen Dingen bereichert. Darunter auch Spiele wie Keyforge, Mindbug und dem eher unbekannten Magic: The Gathering. Damals wurde Netrunner bei Wizards of the Coast als Collectible Card Game veröffentlicht, und räumte seiner Zeit auch einige Preise ab. Die Artworks und das Design unterschied sich allerdings deutlich vom heutigen Spiel:
Im Jahr 2012 erlebte Netrunner unter dem Namen Android: Netrunner eine Neuauflage durch Fantasy Flight Games. Dabei wurde das Spiel vom CCG-Format (Collectible Card Game) auf das LCG-Format (Living Card Game) umgestellt. Das bedeutete, dass Karten nicht mehr zufällig in Boostern verkauft wurden, sondern in vordefinierten „Data Packs“, was Sammlern und Spielern mehr Planbarkeit bot. Auch das Design des Spiels wurde umfassend modernisiert:
Im Jahr 2018 liefen die Lizenzrechte für Netrunner, die weiterhin bei Wizards of the Coast lagen, aus, und das Spiel wurde eingestellt. Einige Karten, insbesondere die deutsche Version, sind bis heute relativ gut erhältlich. Seltene Erweiterungen oder komplette Sets erzielen jedoch auf dem Sekundärmarkt Preise von mehreren hundert Euro.
Seit 2021 wird Netrunner von Null Signal Games (ehemals NISEI) betreut. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss von leidenschaftlichen Netrunner Spielern und Fans, die das Spiel am Leben erhalten möchten. Null Signal Games entwickelt und veröffentlicht neue Karten sowie Spielregeln für das Spiel und organisiert Turniere. Da es sich um eine Non-Profit-Organisation handelt, verfolgt sie das Ziel, die Netrunner- Community zu fördern, ohne dabei kommerzielle Gewinne anzustreben. Das Unternehmen produziert Karten und Spielmaterial in hoher Qualität und stellt diese Spielern weltweit kostenlos zur Verfügung. Die Karten stehen auf der offiziellen Website (www.nullsignal.games) als Print-and-Play-Version zum Download bereit. Zusätzlich kooperiert Null Signal Games mit mehreren Shops, bei denen fertige Kartensets käuflich erworben werden können. Die Kartenqualität steht dabei den offiziellen Karten in nichts nach:
Wie funktioniert Netrunner?
Netrunner ist ein asymmetrisches Kartenspiel für zwei Spieler, das in einer dystopischen Cyberpunk-Welt angesiedelt ist. “Asymmetrisch” bedeutet, dass beide Spieler zwar dasselbe Ziel verfolgen – Agendapunkte zu sammeln – jedoch völlig unterschiedliche Strategien und Mechaniken nutzen, um dieses Ziel zu erreichen. Ein Spieler übernimmt die Rolle des Runners, eines Hackers, der versucht, in die Server der Gegenseite, der Corporation (Corp), einzudringen und deren Agenden zu stehlen. Dazu führt der Runner sogenannte „Runs“ auf die Server der Corp durch. Verschiedene Hardware, Software und Kontakte zur Unterwelt stehen ihm dabei als Werkzeuge zur Verfügung. Die Server der Corp repräsentieren dabei ihre Handkarten (HQ), ihren Nachziehstapel (R&D) und ihren Ablagestapel (Archive). Führt der Runner beispielsweise einen erfolgreichen Run auf das HQ aus, darf er eine Handkarte des Gegners ansehen. Handelt es sich dabei um eine Agenda, kann er sie stehlen und erhält die entsprechenden Siegpunkte. Wird ein Run auf R&D ausgeführt, darf sich der Runner eine Karte des Nachziehstapels des Gegners ansehen. Ist es eine Agenda, darf er sie auch in diesem Fall behalten und zu seinen Siegpunkten addieren.
Der andere Spieler übernimmt die Rolle der Corp, eines mächtigen Großkonzerns, dessen Ziel es ist, seine Agenden zu schützen und den Runner abzuwehren. Dafür installiert die Corp ICE-Programme auf ihren Servern, um Angriffe des Runners zu blockieren. Zudem kann die Corp gefährliche Assets einsetzen, die als Agenda getarnt sind und den Runner bei Zugriff in eine Falle locken. Eine besondere Dynamik entsteht durch die psychologische Komponente des Spiels: Bluffen, Täuschen und das Lesen der Absichten des Gegners sind oft entscheidend. Der Runner muss Risiken abwägen und die Täuschungen der Corp durchschauen, während die Corp versucht, den Runner in die Irre zu führen und gleichzeitig ihre Agendas zu schützen.
Was macht den Reiz von Netrunner aus?
Netrunner ist ein unglaublich atmosphärisches und immersives Spielerlebnis. Statt klassischer Aktionen nutzt man „Clicks“, und anstelle eines Angriffs auf einen Server unternimmt man einen „Run“ oder „loggt sich ein“. ICE-Programme besitzen keine simplen Fähigkeiten, sondern „Subroutinen“. Diese sprachlichen Feinheiten schaffen eine einzigartige Computersprache, die das Spiel noch tiefer in seine Cyberpunk-Welt eintauchen lässt und die Spieler schnell in ihren Bann zieht.
Als Runner installiert man Software oder Hightech-Geräte, während Unterweltkontakte dabei helfen, Credits zu beschaffen, um die teuren und riskanten Runs zu finanzieren. Dadurch baut man sich nach und nach Synergien und Mechaniken auf, um effektive Angriffe auf die Server der Corp durchzuführen. Es ist ein tolles Gefühl, wenn man es schafft, einen scheinbar uneinnehmbaren Server zu überwinden und eine wertvolle Agenda aus den Karten des Gegners zu stehlen.
Als Corp hingegen hat man die Kontrolle über das Spiel und kann die Richtung diktieren. Man kann dem Runner Fallen stellen, ihn in tödliches ICE locken, bluffen und ihm einen teuren Run herauskitzeln, um ihn für die nächsten Runden handlungsunfähig zu machen, während man selbst seine Agendas entwickelt.
Bei wenigen Spielen hängt der Ausgang eines Matches so stark vom eigenen Können ab wie bei Netrunner. Wer seinen Gegner gut lesen und seine Pläne richtig einschätzen kann, hat schon in den ersten Minuten einen entscheidenden Vorteil. Wenn die Corp zu Beginn keine schützenden ICE installiert hat, kann der Runner die ungesicherten Server angreifen und mit etwas Glück früh wertvolle Agendas stehlen. Auf der anderen Seite, wenn der Runner seine Synergien und Mechaniken nicht rechtzeitig in Gang bringt, hat die Corp freie Hand, um ihre Agendas in aller Ruhe zu entwickeln und das Spiel zu kontrollieren.
Netrunner ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, dass großartige Spiele auch nach ihrer offiziellen Einstellung weiterleben können. Dank der Leidenschaft und dem Engagement der Community ist das Spiel seit 2018 in einem fantastischen Zustand und für jeden Interessierten kostenlos zugänglich. Ich kann nur empfehlen, einen Blick auf die Website von Null Signal Games (www.nullsignal.games) zu werfen und diesem außergewöhnlichen Spiel eine Chance zu geben.
Wie sieht es bei euch aus? Schreibt gerne in die Kommentare, ob ihr Netrunner schon einmal gespielt habt oder ob dieser Artikel euer Interesse geweckt hat.
Euer Christian
Schöne Review ejnes Kultspiels!
Ich hatte auch mal damit geliebäugelt, es scheiterte aber an Mitspielern und daran, dass ich nicht endlos Karten Kaufen wollte (auf MtG und SWU schiel )
Die Option mit den unabhängigen neuen Karten ist eine schicke Sache. Gebraucht habe ich Netzrunner bislang aber nicht als günstig empfunden.
Wäre aber schön, wenn das mal wieder als kompaktes, abgeschlossenes Kartenspiel, dann vlt. in abgespeckter Form, erscheinen würde. Die Spielidee reizt mich nämlich noch immer.
Wait a minute… dir fehlen passende Mitspieler und du hättest es gerne als “abgeschlossenes Kartenspiel” dann vlt. in abgespeckter Form.
Wenn du eh nach einem Mitspieler suchst, schaue dass du gleich jemanden findest der auch nicht ständig nachkaufen möchte. Es ist ja nicht so, dass die alten Karten in Flammen aufgehen wenn neue heraus kommen ^^. Kauft euch einfach einmal die gewünschte Anzahl an Karten oder druckt sie selbst aus (dickes Papier und dicke Cardsleeves zum Beispiel…), einigt euch darauf, dass ihr ohne Absprache keien neuen Karten dem Pool hinzufügt und dann habt ihr euer “abgeschlossenes” Spiel! Das “abspecken kannst du ja selbst in die Hand nehmen, entscheidet einfach welche Karten ihr (nicht) verwenden wollt – also genau genommen gibt es exakt das was du möchtest längst…