Moin und Hallo geneigte historisch Interessierten und Wargamer,
Wir schon allzu oft beton, bin ich ja kein historischer Wargamer, aber als historisch Interessierter ja der offizielle „HistoSpacke“ der Redaktion 🙂 Allerdings werde ich alt und mein „Widerstand“ bröckelt. Immerhin habe ich seit Jahren (unbemalte) historische Minis und Regelwerke. Saga und Bolt Action zähle ich jetzt Mal nicht, weil ich die auch nicht wirklich spiele und die ja auch „nicht wirklich“ historisch sind 🙂 Ausreden, über Ausreden….
Allerdings habe ich kein Interesse an ausgeprägten Rank&File-Spielen aka „Kompetitives Tetris“, oder anderen Systemen in denen ich Regimenter über die Platte schiebe – so gut die auch aussehen mögen.
Ja, Claymore Saga habe ich (..damals…jaja..) wirklich gerne gespielt und auch Warhammer Fantasy faszinierte mich. Aber gerade die Mechaniken des „Blöcke-Schiebens“ sprachen mich nicht an. So ging es mir auch mit vielen historischen Systemen, auch wenn diese schon Feuerwaffenlastig wurden.
Dazu kommt ja meine Faszination für die frühe Neuzeit, als Pike & Muskete das Schlachtfeld bestimmten. Um sowas darzustellen braucht man ja Blöcke und die sehe nur mit genug Minis gut aus.
Die neuen Pike&Shot-Epic Battles Boxen scheinen eine Lösung zu bieten, aber …viel weniger Arbeit wird es halt nicht, nur weil die Minis kleiner sind.
So ein bisschen schämte ich mich dafür, dass mich nur die Retinue-Maßstäbe der „Lion Rampant“ Reihe (Besonders Pikemen’s Lament) oder Saga reizten
Aber dann hatte ich ein Erweckungserlebnis, als ich meine Recherchen für die Geschichtstunden und meine hist. Bildung weiter führte. Bestanden denn historische Konflikte wirklich vor allem aus Schlachten? Und warum wollen „wir“ ,bzw. die Community der historischen Wargamer, Schlachten spielen?
Warum spielen wir Schlachten?
- Kulminationspunkt
Eine Schlacht ist immer ein Kulminationspunkt, der Höhepunkt einer Spannungskurve. Das ist interessant! So wird und wurde es in der Geschichtsschreibung oft wahrgenommen. Auch und gerade, wenn die Schlachten im 20. Jhr groß und unübersichtlich wurden, ist es z.B. die „Schlacht von Verdun“ und nicht die „Verdun-Offensive“ - Event-Geschichte
Wenn auch in der Deutschen Geschichtsforschung nicht mehr so beliebt, sind „große“ Schlachten auch einfach „Events“. Das Gedenken und die Beschäftigung lässt sich örtlich und zeitlich fokussieren - Gut recherchiert
Man kann vieles über die Unschärfen der Kriegsgeschichte sagen – aber Schlachten zu erforschen hat(te) viel Interesse gefunden. Es ist auch einfacher schlachtfeldarchäologisch oder historisch eine große Begegnung zu erforschen, als ein kleines Scharmützel. Zumal die Schlacht gegenüber einem einzelnen Gefecht oft eine höhere Relevanz aufweist.
Daher war der Fokus hier ganz natürlich immer auf den Schlachten gelegen. Der Grad und die Güte der Dokumentation hängt natürlich sehr von der Epoche ab, aber hier gibt es einen großen Fundus an Möglichkeiten. - Ich, der Feldherr
schon immer haben wir Feldherren und ihre (Fehl)Entscheidungen glorifiziert und diskutiert. Da ist es doch naheliegend die Rolle „dieses“ Feldherren einzunehmen, zu Mal viele hist. Systeme den Anführer und seine Kommandoreichweite („die Menge an Männer, die man noch mit seiner Stimme führen kann“) explizit in der Spielmechanik darstellen. Und große Anführer fochten auch große Schlachten aus. Immer dran denken: Napoleon wurde 1815 persönlich der Krieg von mehren Großmächten erklärt. - Tradition
Geprägt durch die Begründer der modernen zivilen Militärhistoriker wie Delbrück und widmen wir uns vor allem den großen Schlachten, statt der allgemeinen Kriegsführung einer historischen Epoche. - Optik
Mehr ist einfach mehr ! 🙂 Große Armeen mit vielen Modellen, egal in welchem Maßstab, sehen einfach gut aus. Es gibt Gründe warum in einem Museum zu Veranschaulichung der Schlacht von Agincourt über 3000 Perry-Bogenschützen stehen.
Das sind alles sehr nachvollziehbare Punkte. Mein Erweckungserlebnis war aber meine Recherche und Interesse für über Dreißigjährigen Krieg, und wie er Deutschland geprägt hat. Dazu las ich aus Interesse auch H. Münklers „Der dreißigjährige Krieg – Europäische Katastrophe; Deutsches Trauma“ durch. Dazu kam im Frühjahr 2023 der Kickstarter für die Zweite Edition von „By Fire and Sword“. Das ist mit seinem Fokus auf die ersten Nordischen Kriege (insb. den Zweiten Nordischen Krieg 1655-61 aka „Schwedische Sintflut / Swedisch Deluge / Potop Swedzki“ ) ein bisschen außerhalb meines Interessensfokus. Und ja, natürlich unterscheidet sich die Kriegsführung im Ostmitteleuropäischen Flachland von der in Zentraleuropa oder England. Ich kam aber immer wieder auf ein YouTube-Viedo, über die Seltenheit von Schlachten und der Kriegsführung in der frühen Neuzeit. Aber all dies machte mir klar: Schlachten waren gar nicht so häufig! Ja, Schlachten wurden oft vermieden! „Manövrieren ist Kunst und Handwerk, aber eine Schlacht zu wagen, heißt immer Dame Fortuna zu versuchen“ Und oft genug wurden die Kriege eben nicht durch Schlachten, sondern den „Kleinen Krieg“ entschieden. Für die damaligen Feldherren war der „Kleine Krieg“, der „Diversionskrieg“, der mittelalterliche „Chevauxe“ bei dem man raubt, brandschatz und belagert völlig natürliche Mittel, die zum „Großen Krieg“ dazugehörten. Der Unterschied zu späteren „Guerrilla“-Kriegen (und Guerrilla heißt ja spanisch nichts anders als „Kleiner Krieg“) war einfach nur, dass man den „Kleinen Krieg“ nicht ohne den „Großen Krieg“ denken konnte. Auch wenn es gerade in der Phase der Kabinettskriege durchaus Konflikte gab, die ohne große Schlachten, sondern nur mit Manövern und Abschneiden des Nachschubs, entschieden wurden.
Daher: Warum mal nicht Schlachten spielen?
Gute Argumente für kleinere Gefechte
- Epoche
Das schöne ist: kleine Konflikte und Scharmützel sind für jede Epoche typisch, von der Antike, bis zur Neuzeit. Ganz besonders stimmt das für die frühe Neuzeit und den dreißigjährigen Krieg, lässt sich aber genauso auf alle Phasen des Mittelalters und der Neuzeit übertragen, die mir nahe liegen. Auch wenn es in einem Konflikt nur kleine Heere gab, kann man sicher ein Gefecht finden, wenn es nicht für eine Schlacht reicht. - Bedeutung
Alle hängen sich an der großen Schlacht auf, aber oft wurden Konflikte durch die Masse an kleinen Gefechten und bestimmte Schlüsselgefechte entschieden, wo eine Einheit eine Brücke hielt/eroberte. Gerade für viele erwähnte Konflikte konnte eben nicht die „Große Entscheidungsschlacht“ den Krieg beenden und die Summe an kleinen Belagerungen, Plünderungen und Überfällen brachten die Entscheidung. - Skala
Gefechte lassen sich leichter skalieren als dokumentierte historische Schlachten. Statt eine bestimmte Anzahl an Soldaten darstellen zu „müssen“ kann man leichter festlegen für wie viele Soldaten den die Modelle, die man besitzt, auch stehen und ob man dies nun besser in starren Einheitenblöcken oder einzelnen Modellen in lockerer Formation darstellt. - Praktikabilität
Die andere Seite der Skalierbarkeit. Ich komme leichter mit meinen schon vorhandenen Modellen aus bzw. habe mehr Freiheiten, wie ich sie im Rahmen der Periode gestalten kann. Auch lässt sich ein Gefecht leichter ohne detailierte Recherche gestalten, ohne das es sofort in ein hypothetisches „What if?“-Szenario abgleitet. - Freiheit
Hier kommt natürlich durch, dass ich kein histo. Wargammer bin – aber ein kleines Gefecht erlaubt mir mehr Freiheitsgrade im „period“ Feeling, als eine gut dokumentierte Schlacht. Ich habe einfach mehr Freiheiten das Gefecht zu gestalten und habe weniger die Fakten im Hinterkopf, die ich evt gerade verletzte oder biege. - „Eigene Geschichte“
Für viele Spieler ist die hist. Schlachtsimulation ein großes „What if?“ Manchmal auch mit Balance-Mechanismen, um alle Seiten am „Spiel“ partizipieren zu lassen. Natürlich ist interssant zu schauen, wie eine Gewinnbedingung für eine unterlegene deutlich Seite aussehen könnte – aber, wenn die dann gewinnt, was hat man falsch gemacht?
Aber gerade ein historisches Scharmützel erlaubt mir einfach ein eigenes Szenario (Plausibel oder nicht) zu erstellen die mit meinem Mitspielern eine neue Geschichte zu gestalten.
Was sind für mich ziemlich gute Gründe, mich frei von meinem „schlechten historischen Gewissen“ zu machen und mich zunehmen eher auf hist. Gefechte und weniger auf große Schlachten zu fokussieren. Was auch besser zu den von mir geschätzten Regelwerken aus der Saga und Rampant-Reihe passt.
Aber wenn ihr Spaß an einer großen, detaillierten historischen Schlacht habt – habt Spaß dabei! Ich bewunderter gerne eure Platten und Schlachtverläufe, aber werde wohl eher nicht mitspielen.
Und wenn ihr Gefechte mit „period feel“ und weniger Modellen spielen wollt – ihr hatten schon immer die Erlaubnis. Aber nun noch ein paar Argumente mehr.
Warum ich keine historischen Schlachten spiele:
* der Ausgang „steht fest“
* die Vorbereitung würde mich um den Schlaf bringen und den Verstand, denn wenn ich sowas mache „dann richtig“ und dann würde ich zu dem „der Knopf an der Mini ist falsch!“ Monster werden, das keiner leiden kann
* Es müffelt nach alten Männern (Ich darf das sagen, ich habe die 50 voll im Fadenkreuz!)
* Das eigene Kopfkino für das ersinnen von Geschichten, Kampagnen und Lore ist durch das historische Korsett zu eng geschnürt. Püppies schubbsen ist Eskapismus für mich. Und Geschichte geschieht permanent um uns herum. Da muss ich das nicht auch noch erforschen.
Richtig aufgezogen sieht das schon klasse aus und ich verstehe jeden, der an sowas Spaß hat aber es gibt auch Menschen die bauen Buddelschiffe oder das Taj Mahal aus Streichhölzern. You do You aber ich bleibe bei SciFi und Fantasy. 😉
Na, ich glaube da tust du einem Gutteil der historischen Community ein bisschen unrecht – das sind ja auch WarGAMER.
Also der spielerische Charakter ist immer vorhanden, oft in einem „Was wäre wenn“- Szenario. Hier haben ja in mancher GEschichtsstunde schon festgestellt, dass Dinge wie die Windrichtung eine Schlacht beeinflusst haben.
Aber klar – Grundsätzliches Interesse an Geschichte ist schon Voraussetzung. Das ist bei mir Vorhanden. Aber ich musste erst lernen, mich von einem gedanklichen Korsett freizumachen, welches ich mir selbst geschnürrt hatte. Und da halfen mir ein paar historische Fakten und Interpretationen.
Klar wird immer noch gespielt und theoretisch kann das Ergebnis vom Ereignis abweichen, wenn einer nur Dreck würfelt und der andere wie ein junger Gott. Aber wie wahrscheinlich ist das bei einigen der „gern gespielten“ Konflikte wie Rorke’s Drift, Little Big Horn oder Waterloo? Unrecht tu‘ ich da also keinem. Zumindest nicht bewusst. Again: wem es Spaß macht: you do you! More power to you. Für mich ist das genau so wenig anziehend wie das Zeug was G’Wullu derzeit raus knüppelt. (Blood Bowl und LotR mal außen vor gelassen)