Puh, was habe ich mir da angelacht…..
1-4 awakened heroes retrieve their dark memories in this J-RPG co-op, legacy, skirmish & story based board game. The Nanolith awaits
Alle begann damit, dass ich kleiner MassEffect-Fanboy ein Review des dazugehörigen Brettspiel schieb. Die Reaktion hier auf der Seite war überschaubar, scheint aber einen Nerv getroffen zu haben. Denn kurz danach frage Woodpecker Games uns an, ob sie uns ein Rezensionsexemplar ihres Spiels Nanolith zusenden dürfen. Wir sind ja immer etwas vorsichtig, was kostenloses Reviewmaterial angeht, da ich ja etwas als Klugnörgler (..ich lobe durch Detailkritik..) berüchtigt bin und man dann auch immer die Verpflichtung hat das Material wohlwollend und zeitnah zu prüfen.
Auf der anderen Seite klang das Spiel interessant genug, es sich genau anzugucken. Kooperativ, klassisches Cyberpunk-Artwork mit Anime-Anklängen, deutlicher narrativer Fokus auf eine Story und ein Haufen Material und ein paar Minis.
Der erste Eindruck und das Material
Woodpecker Games hat uns die Deluxe-Variante des Brettspiels zur Verfügung gestellt, die dem eigentlichen Spiel noch eine weitere Spielebox im Vollformat hinzufügt. Darin enthalten sind Miniaturen für die Protagonisten, Acrylboards für die Charaktere, ein weitere Arena-Spielmodus und ein paar Tokens in Acryl. Den Storyfokus des Spiels merkt man dann auch gleich dem Deluxe-Regelbuch an, welches nicht nur den zusätzlichen Spielmodus vorstellt, sondern auch Kurzgeschichten-Schnipsel zu Charakterhintergründen in ein Printprodukt bringt, welche vorher als Kampagnen-Update genutzt wurden. Die klaustrophobischen Arenen in den Deckel und Boden der Schachtel zu designen ist genial pragmatisch!.
Das Hauptspiel ..ist massiv. Irgendwo müssen ja die 6 kg für beide Boxen herkommen, wo bei das Gewicht schon primär vom Hauptspiel kommt. Die Pappe für die Marker und Playerboards ist stabil und griffig, es sind genug W8 und die speziellen Aktionswürfel (mit einem ! statt der 1) beigelegt und Sleeves für jede Karte. Das ist schon Delux! Ich sleeve Spielkarten tendenziell eher nicht, aber FFG hat daraus ja ein komplettes Geschäftsmodell gemacht und wenn man sich diese Mühe macht, ist das schon besser für das Spielmaterial. Allerdings hatte ich mit den Karten etwas das Problem, dass sie sehr stark an einander hafteten und schwer zu trennen waren. Für Leute die Karten sleeven eher nur ärgerlich, für schnelle Durchblätterer und Kartensucher wie mich, sehr hinderlich. Die Regelhefte haben die übliche Klammerbindung, das Szenarienbuch ist als Ringbuch ausgeführt, da es gleichzeitig als Spielplan fungiert. Ebenso das Kampangenbuch, wegen der höheren Dicke. Richtige Bindung kostet halt extra 🙂
Die Box ist also voll gepackt und das Material durchdacht und wertig. Eine wirklich nette Idee sind die Faltboxen für die Charakterkarten der Charaktere, damit man diese gut trennen kann. Die Regeln sind in vier Hefte aufgeteilt. Das eigentliche Regelbuch beschreibt die Regeln, das Kampagnenbuch ist als „Choose-your-own-Adventure“ ausgelegt, um sich durch die Entscheidungen der Kampagne zu navigieren. Auf das Szenariobuch gehe ich gleich noch Mal vertieft ein, aber hier sind nicht nur die Spielpläne und ihre Aufbau zu finden, sondern auch der Comic und große Artworks der Lobbies, in denen man Entscheidungen trifft. Die Legacy-Komponente kommt dadurch ins Spiel, dass man den Fortschritt der Charaktere auch mit dem Einkleben von Stickern in Stadtpläne und Fähigkeitskarten festhält.
Bleiben wir noch etwas beim Material. Alle Gegner sind als Acryl-Standies ausgelegt ,mit tollem Aufdruck, der gut in den Cyberpunk-Comic-Stil passt. Die sind auch alle gut durchgelasert, aber mit einer Folie gesichert. Im Basisspiel sind die Protagonisten auch als Standies ausgelegt zum Vergleich habe ich noch die Modelle aus der Deluxe-Variante daneben gestellt. Diese sind Brettspiel-PVC, aber schon ein etwas schärfer Spritzguss, als ich es sonst bei Brettspielen erwarte. An Material macht der Spiel also vieles richtig, sogar eine umfangreiche Inventarliste ist beigelegt.
Nur – ich mag ja Spielmechaniken und nicht so sehr Ausstattungsspiele
Das Spiel – ein grober Überblick
Ich kann hier nun viel über die Spielmechanik schreiben. Im Kern ist es wie viele andere moderne kooperative Dungeoncrawler mit Szenario-Fokus. Man spiel genau die vier Charaktere mit unterschiedlichen Fähigkeiten als Team, radiert Gegner aus, die Verstärkungen erhalten, muss Szenarien erfüllen und bekommt Ausrüstung, weitere Fähigkeit und eine Storyprogression. Im Kern sind viele Mechaniken bekannt und haben mich sowohl an Spiele wie „Maus & Mystik“, das erwähnte Mass Effect Spiel, Rogue Angels, Jagged Alliance oder die alten Klassiker von HeroQuest bis Decent erinnert. Kaum eine Mechanik ist ganz neu, aber die Kombination ist neu zusammengesetzt.
Kernmechanik ist der Stressbalken zusammen mit den W6 Aktivierungswürfeln und W8 Aktionswürfel, mit denen man über Zielwerte würfeln muss, um Erfolge oder Schaden zu machen, jeder Spieler wirft fünf der Aktionwürfel, mit deren Einsatz in das Board einfache Aktionen freigeschaltet werden. Ähnlich wie bei Kniffel, kann man aber mit einer Kombination an Würfeln auch eine Spezialaktion des Charakters, einer Fähigkeit oder Ausrüstung auslösen.
Zusätzlich können Charaktere durch Nanosyncs bestimmte andere Charaktere verstärken. Es geht über die Support-Fähigkeiten (z.B. von Ada) hinaus, da der aktive Spieler bei spezifischen Fähigkeiten von spezifischen Charakteren Würfel erhalten kann – die Charaktere haben einfach eine ganz bestimmte Synergie, und weitere können im Laufe des Spiel angesammelt werden.
Damit das nicht reiner Zufall bleibt, kann man Aktivierungswürfel durch den Einsatz von Stress mit ±1 modifizieren. Zusätzlich sammelt man Stress durch jedes gewürfelte !. Ist die Stressleiste gefüllt, wird ein Nanoshock aktiviert. Der Charakter erhält Schaden, bekommt aber eine mächtige Sonderfertigkeit freigeschaltet, die er nun auslösen kann. Zusätzlich wird nun die Schwelle für den nächsten Nanoshock gesenkt. Im Spielverlauf eskalieren also die Ereignisse, in dem immer schneller mächtigen Kombos folgen, aber alle auch immer schwerer verletzt werden und das Risiko steigt. Das fühlt sich schon nach Japano-RPG an.
Aber das konkrete Gegner schnetzeln und Szenario erfüllen greift für das Spielerlebnis zu kurz. Nanolith ist eher Gesamtkunstwerk, als Brettspiel. Viel er Ästhetik orientiert sich an einem Computerspiel mit Save-Points und Game Overs. Statt einer Cutszene ließt man ein paar Seiten Comic, die das grobe Setting setzen. Die Charaktere erwachen ohne Gedächtnis in einem Biolabor, finden Klamotten und Ausrüstung und landen dann in der ersten Lobby. Das kennt man so sehr oft aus Computerspielen, und so können die Spieler im Laufe des Spiels auch die Welt erkunden und erfahren.
In der ersten Lobby können die Spieler direkt in ein Biolabor mit Mutanten stürmen und das erste Szenario spielen. Oder sie schauen sich um. Dabei kann man schon kleine Storyentscheidungen treffen, die in leicht unterschiedlichen Ressourcen und Fähigkeiten resultieren. Auch kann man hier sein erstes Rätsel lösen, in dem man auf den Bildschirmen den Code für eine Zugangskarte sucht und findet. Deswegen: die Artworks sind mehr als nur Stimmungsbilder, sondern auch visuelles Erzählen im Gesamtkunstwerk.
Mein Fazit
Ist Nanolith ein beeindruckendes Spiel? Ja! Die Leute von Wood Pecker Games hatten eine Vision, die sie umsetzten. Und das Crowdfunding gab ihnen recht.
Ist Nanolith ein Spiel für die breite Masse? Himmel nein! Ich weis jetzt schon von Mitredakteuren, denen das ganze zu viel ist. Harte Brettspieler werden einige Aspekte zu narrativ sein, mit fehlt schlicht eine stabile und erfahrene Spielgruppe, die bereit sind sich auf diese Reise einzulassen.
Die Spielmechanik müsste ich noch intensiver testen, viele der Regeln sind mir zu etwas implizit und erst im Laufe der Kampagne klar. Auch vermisse ich eine klare Aufbauanleitung, für das erste Spiel, welche Karten man schon bereit, und welche man weg legen muss. Ebenso war für mich die Schnellstart-Anleitung wenig hilfreich, da sie mir zu wenig erklärte. Ich verstehe gerne Dinge.
Dafür sind die restlichen Bücher alle super! Die Regeln sind klar formuliert, gut präsentiert und an Hand der Beispiele erklärt. Danach konnte ich schon merh mit dem Schnellstarter anfangen und Videos sind auch per QR-Code verlinkt. Über den Szenarioband als Kunstwerk habe ich ja schon gesprochen, das Kampagnen hat bisher zu Anfang eine sehr hohe Übersichtlichkeit. Das macht es einfach zu nutzen.
Ich werde es mir mit den Nerd-Freunden und dem Rest der Redaktion noch Mal genauer angucken.
Was haltet ihr von solchen Spielen? Mögt ihr narrative Legaykomponenten ? Und wie wichtig sind für euch passende Artdesign zum Thema?
Wir freuen uns auf eure Kommentare!
Vorweg: Kudos für ein schriftliches Review in der Länge.
Wenn allerdings das erste Bild, was ich sehe, mir sagt „dieses Spiel wiegt 6kg“ dann brauche ich nicht weiter lesen. Warum? Weil meine Freizeit zum zocken derzeit auf einen Donnerstag Abend beschränkt ist und nie länger als 2 Stunden ist. Und das auch nur, weil ich mich (relativ) konsequent mit meinem Freund zum Battletech spielen treffe. „Brettspiele“ wie dieses, für das man eine größere Gruppe braucht, die sich regelmäßig trifft und man am besten noch einen Tisch hat auf dem das ganze stehen bleiben kann: Nein, hard pass. Das sind auch IMHO keine Brettspiele mehr. Das ist ein Rollenspiel mit extra visuellen Hilfen.
Bunte Standees statt/zusätzlich zu Minis finde ich eine tolle Sache, macht aber für den Zeitaufwand für dieses Spiel nur einen Tropfen im Ozean aus.
Das Design an sich ist (für mich) ein absoluter Fail. Der Stil sieht billig aus, kommt rüber wie eine schlechte Mischung aus Marvel/DC und Manga und schaut nach allem möglichen aus, aber nicht nach dem, wie ich mir Cyberpunk vorstelle. (Lest mal die Vorlage zum Film Bladerunner „Do Androids dream of electric sheep“, dann wisst ihr was ich meine)
Ich kann mich erinnern, dass ich das Ding im Kraut-Finding gesehen habe und schon damals dachte: Bäh, neee, lass mal.
Wer Spaß daran hat: more power to you. Meins ist es nicht.
PS: „Mögt ihr narrative Legaykomponenten ?“ Ich denke du meinst „Legacy“ und nein. Für mich ist ein Brettspiel ein „one and done“. Aufstellen, würfeln und Spaß haben, fertig, wegpacken. Aber das ist nur meine Meinung 🙂
Danke, Typo gefixed
Ich sage es Mal so: Comic-Artworks kosten nicht so viel wie ein Film oder PC-Spiel, sind aber nicht ganz billig.
Ich habe auch meinen Gibson mit Neuromancer gelesen (nicht ganz mein Fall), ich denke die Vorlagen liegen hier eher bei Ghost in the Shell o.ä., mich hat das Artdesign mit der Neo-Comic-Optik schon angesprochen, obwohl man mich mit J-RPG jagen kann und ich nur wenige Comics mag.
Rollenspiel mit visuellen Hilfen: neeee, also für ein Rollenspiel wäre mir da zu wenig Fleisch und zuviel Mechanik.
Wobei das Setting schon was hergibt, ist mir das was ich von der Story gelesen habe zum Ende hin etwas zu episch, im Vergleich zum Low Life – High Tech wie ich mir Cyberpunk vorstelle.
Zur Spielzeit: große Grupee eher nicht, da man immer alle vier Charaktere spielt, aber halt eine stabile Gruppe. Theoretisch kann man es alleine spielen – aber da ist es mir zu sehr Puzzle, wo das Spiel eher auf Story ausgelegt ist
Oh, noch Wortanzahl
..ja, es sind dann doch 1300 geworden.
Anfangs plante ich nur das Unboxing, kam dann aber doch genug in die Mechanik rein, um es als Review führen zu können.
Bei MassEffect bin ich auf 3.000 gekommen…
Bin da ganz bei SunDancer, als ich 6Kg und Inventarliste gelesen habe war ich auch raus, hab das zwar alles zu Ende gelesen – aber wußte auch direkt – nicht meins. Zu viel Kram, zu lange zum Auf- und Abbauen und wir haben auch die Erfahrung gemacht, dass Spiele die eine Kampagne haben wirklich interessant sein müssen und es gute Möglichkeiten zum Tracken von Fortschritt, Loot, Ausrüstung usw. braucht, was manche Spiele ja gut mit Hilfe einer App schaffen. Niemand bei uns hat Lust 6 Wochen später seine Zettelwirtschaft durch zu suchen um zu gucken ob Modell jetzt Trank X und Dolch Z hatte beim letzten Mal, dazu dann auch passende Karten usw sich zusammen zu suchen.
Optisch finde ich das Spiel allerdings schön, auch wenn Cyperpunk und Animie überhaupt nicht meins sind. Dazu die Figuren, die auch toll aussehen. Aber da kommen wir dann auch zum für mich entscheidenen Punkt, eine Delux Edition mit Figuren würde ich als Tabletop Spieler immer vorziehen vor einem Spiel mit nur Pappaufsteller/ Marker etc anstatt Figuren. Damit wird es dann aber auch oft deutlich teuerer. Das und dann die Menge an Tokens, Gewicht der Box (also viel Inhalt) führen dann eher zum „Nee, lass mal“
Aber evtl. bin ich da auch nicht die Zielgruppe, als eher jemand der Tabletop überwiegend spielt, könnte mir vorstellen, dass reine Brettspieler eher zu solchen großen Spielen neigen. Also Spieler die gerne Sci-Fi/ Fantasy Spiele spielen …