Worte der Woche: Neuland – jenseits der Komfortzone

Hallo und willkommen bei meinen Meinungsergüssen. Heute wird es konfus aber philosophisch – das kommt davon, wenn ihr euch so etwas wünscht 🙂

Der Aufhänger

Wie ihr im Januarstammtisch schon mit bekommen habt, war ich ja ganz angetan von der Ankündigung der Speedpaints von ArmyPainter. Die ContrastColors von Citadel waren wichtige Meilensteine, aber zwischen mir und diesem Farbhersteller ist das Tischtuch zerrissen, und sei es nur, weil ich seit zehn Jahren Dropperflaschen bevorzuge. Die wenigen ContrastColors, die ich besitze, haben mich nicht besonders beeindruckt. Umgekehrt habe ich eine irrationale Freude an ArmyPainter Farben, deren „Probleme“ mit dem Entmischen ich eher von Vallejo-Farben kenne.

Lange Rede, kurzer Sinn – nach etwas hin und her bestellte ich mir ein Komplettpaket, das dann sogar zwei Tage vor offiziellem Releasedatum bei mir aufschlug. Der Packung war dann die aktuelle Version des firmeneigenen „Painting Guides“ beigelegt, der die ArmyPainter-Methode vorstellen und kräftig Werbung für die Firmenprodukte machen soll.

 

Dabei fielen mir ein paar Punkte auf:

  • Es ist wirklich toll, mal wieder ein gedrucktes Werk aus toten Pflanzen in den Händen zu halten
  • Per QR-Codes wird trotzdem genug auf die Videos für weiterführende Infos verwiesen.
  • Hilfe! Es gibt da noch ein paar interessante Produkte von denen ich noch nie gehört habe. Klinge ich wie ein Junkie, wenn ich nun im Netz nach „Fairy Dust“ suche?
  • Die Broschüre enthält wirklich viele hilfreiche Informationen zur Farbtheorie und grundsätzlichen Maltechniken…
  • …die Speedpaints sind aber noch nicht darin aufgeführt.

Trotz unzähliger Youtube-Videos zu den Speedpaints und einem gewissen theoretischen Verständnis der Farbe, sitze ich nun mit den Farben ein wenig wie der Ochs vorm Berg. Inzwischen bin ich dem Rat unseres Stevens gefolgt und habe die Farben mal an ein paar Brettspiel-Miniaturen ausprobiert. Trotzdem – am Ende muss ich noch mehr probieren um mit diesen Farben zurecht zu kommen. Gerade nach meiner langen Malpause: Ich muss effektiv das Malen wieder lernen und zögere deswegen…

Wie und was lernen wir?

Und da ist es mir wieder gekommen: Wie habe ich überhaupt Malen gelernt? Wie habe ich mir neue Maltechniken und Stile angeeignet?

Ich weiß noch, wie ich vor den Abbildungen der Minis aus Hero Quest saß und der Beschreibung wie diese schattiert (Grundfarbe + Schwarz) und gehighlightet (Grundfarbe + Weiß) wurden. Die Bilder gefielen mir nicht und der Aufwand war mir zu hoch.
Als ich vor meinen ersten Tau saß, stellte fest, dass Bemalen doch ganz okay ist. Die Bilder im Codex von trockengebürsteten oder nur getuschten Modellen gefiel mir nicht, aber über den Geländebau eignete ich mir beide Techniken an, sodass sie bald fest in meinem Repertoire waren.
Highlights fand ich ein notwendiges Übel, dessen Sinn sich mir etwas später erschloss und die ich mir nicht mehr wegdenken kann.
Als mir mein Kumpel zum ersten Mal von Leuten erzählte, welche die Rillen in den Space Marine-Schulterpanzern schwarz nachzogen (Blacklining) fand ich das reichlich übertrieben. Inzwischen mache ich das dauernd mit Tuschen.
Und ich weis auch noch genau, als ich im White Dwarf eine Anleitung zum Nass-in-Nass-Malen laß… und mich diese Technik abschreckte. Erst ein Video von Diced-Dennis und das Hilfsmittel des „Retarder Mediums“ überzeugten mich von dieser Technik.

Und mir wurde klar: Erklärvideos zum Malen schaue ich mir ungern an, wenn ich nicht schon sowieso den Kanal sehr regelmäßig gucke. Bemaltutorials zum Lesen bin ich etwas aufgeschlossener gegenüber, aber die sind nicht mehr zeitgemäß und selbst da bin ich grundskeptisch. Und Bemalworkshops, wie jenen, den Felice z.B. bei Roman „Jarhead“ absolvierte, schrecken mich ab, und sei es nur, dass ich keine Lust auf die Demominiatur habe. Ölfarben und White Spirit ? Stehen noch unbenutzt im Schrank. Ich mag offenbar meine Komfortzone

Raus aus der Komfortzone!

Es gibt ein Modell das beschreibt, wie sich Menschen in Situationen verhalten und wie sie lernen. Normalerweise bewegen wir uns in der Komfortzone, wo wir alles beherrschen. Dort lernen wir aber nichts Neues dazu. Das tun wir in der Lern/Arbeitszone, wo es eben nicht mehr komfortabel ist, wir aber neue Tätigkeiten erlernen und aufmerksamer sind. Jenseits davon liegt die Stresszone, in der wir kurzfristig höchste Leistung und Aufmerksamkeit erbringen, aber auf die Dauer Schaden nehmen. Durch Übung und Routine können wir die Grenzen dieser Zonen verschieben, und erlernte Tätigkeiten in unsere Komfortzone bringen, wo wir sie dann im „Flow“ komfortabel erledigen.

Und ja – diese Farben schubsen mich aus meiner Komfortzone. Und das ist gut so, denn ich will ja was Neues lernen. Nur im Gegensatz zum Konsumieren von Geschichtsvideos oder langen Texten, scheinen Ausprobieren von Farben oder das Angucken von Tutorial-Videos nicht in meiner Komfortzone zu liegen. Und deshalb schiebe ich es immer wieder auf die Lange Bank. Aber: Vom Planen, wie ich welchen Effekt erreichen könnte und dem Imaginieren des fertigen Modells wird keine Miniatur bunt.

Also: Raus aus der Komfortzone und ran an den Pinsel!

Fazit

Beim Nachdenken über meine Lernprozesse und Maltechniken ist mir klar geworden, wie und warum ich lerne, und wie es dazu kommt, dass ich so ungern in manchen Bereichen Neues ausprobiere, wenn ich gerade wenig Zeit habe. Und deshalb bin ich wohl immer noch so skeptisch gegenüber 3D-Druck, obwohl ich mal als Experte für industrielle Druckprozesse galt. Fest steht – ich freue mich darauf meine Speedpaints benutzen zu können, aber es dauert noch eine Weile bis sie in meinem Standardrepertoire angekommen sind – oder ich wieder zum Malen komme. Aber auf einem ersten Projekt beginne ich sie gerade mit Spaß zu verwenden.

Wie lernt ihr Neues? Was war eurer Prozess euch neue Hobbytechniken anzueignen? Oder habt ihr schon alles was ihr braucht in eure Komfortzone gepackt?

Ich freue mich auf eure Kommentare.

 

Euer Christian

Über Christian

Christian begann als Gastautor und bissiger Kommentator, wurde dann Redakteur im Blog und gehört inzwischen zu den "Großen Alten" Trotzdem ist es immer noch für sein zu schnelles Reden bekannt und für seine Klugkoterei berüchtigt. Obwohl er kein Historischer Wargamer ist, ist er einer der beiden "HistoSpacken" der Redaktion. Sein Fokus im Hobby liegt auf Freebooter's Fate, Geländebau (aktuell gerade 1:1 Maßstab) und Hobbyphilosophischem. Ganz allgemein spielt er lieber Skirmischer als Rank&File-Massensysteme

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3 Comments on “Worte der Woche: Neuland – jenseits der Komfortzone”

  1. Dana Howl hat vor zwei Wochen ein Video raus gebracht wie man die Reaktivierung von Speed Paints umgeht. Ein gutes Video für diejenigen die sich lieber Angst machen lassen als mutig voranzumalen.

    1. Tatsächlich habe ich keine Angst vor dem beschriebenen Anlösungseffekt, der auch in unserer Alumni-Gruppe diskutiert wurde. Ich habe die Speedpaints bisher primär Ton-in-Ton bei einem lasierend-bemalten Modell verwendet, und dabei ist mir nicht aufgefallen.
      Tatsächlich finde ich das Speedpaint-Medium plus reguläre AP Warpaint ziemlich toll. Aber ich will ja gerade durchscheinend arbeiten.

  2. Servus,

    ich habe vor einigen Monaten das erste Mal Bemalung mit Contrast Farben + Oil Wash + abnehmen mit Whitespirit/Terpentin Ersatz ausprobiert und von den Ergebnissen bin ich begeistert. Es hat tatsächlich meine Sicht und Möglichkeiten auf Miniaturbemalung verändert und stark wieder zum Bemalen und Ausprobieren animiert. Noch ein paar Minis bemale ich wegen der einheitlichen Optik mit der klassischen „Grundfarbe-Wash-Akzente“ Technik und danach kommen bei mir Ölfarben immer zum Einsatz…

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