Review: Freebooter’s Fate Mannschaftsbuch #2

Endlich! Am 11.06.19 erschien das Mannschaftsbuch zu Freebooter’s Fate – Zweite Edition, in dem (beinahe) alle bisher erschienenen regulären Modelle mit Regelkarte und Hintergrundtext beschrieben sind. Was ihr von dem Buch erwarten könnt und ob die hohen Erwartungen gerechtfertigt waren, könnt ihr hier lesen.

Disclaimer und Objektivitätsschmerzen

Wie schreibt man eine Rezension zu einem Buch, bei dem man nicht nur im Impressum unter „Dank an:“ erscheint, sondern auch als Autor aufgeführt ist? Ein Buch, das man nicht nur als Belegexemplar bekam, sondern das auch noch mal eine von Werner Klocke signierte Grußkarte enthielt?
Wohl am besten gar nicht…

Auf der anderen Seite: Wenn ich diese Rezension nicht schreibe, schreibt sie keiner zeitnah. Im Endeffekt stammt genau eine (!) Charaktergeschichte von mir, die auch nochmal für den Gesamtkontext überarbeitet wurde. Und zu der Zeit, als es an das Inhaltslektorat ging, hatte ich nicht viel Zeit zu partizipieren. Eigentlich ist die Danksagung in diesem Buch an mich und Felice schon zu viel der Freundlichkeit.
Umgekehrt: gerade durch die Autorentätigkeit hatte ich etwas Einblick in den kreativen Prozess im Hintergrund und die Weltentwicklungsvorgaben, was so eine Rezension noch interessanter macht. Und ich werde auch nicht die literarische Qualität der Texte beurteilen, sondern vor allem Fakten sammeln.

Wie schreibt man also so eine Rezension? Mit all der kritischen Herangehensweise und Objektivität, die man von sich selbst als Hobbyredakteur erwartet. Und mit all jener Begeisterung, die ein primärer Hintergrundband für einen Hintergrundfreund wie mich bietet.

Das Buch – harte Fakten

Das Cover.

Wie auch die anderen Bücher von Freebooter’s Fate ist auch das Mannschaftsbuch wieder vollfarbig und in Klebebindung gefertigt. Mit 140 Seiten ist es bisher das dickste Buch der Freibeuter und beim üblichen Handhabungstest durch einen bibliophilen Messi (dessen Frau ihm unterstellt, er würde Bücher absichtlich misshandeln…) hielt auch die Bindung. Bei dieser Dicke ist dann auch der Preis von 29,90 € verständlich. Teurer als bisher alle anderen Bücher von Freebooter’s Fate, aber auch für ein Softcover noch im Rahmen. Als Artwork findet man eher weniger Illustrationen, dafür aber mehr Fotografien von Miniaturen und Gelände, was auch durchaus für das System und seinen Modellfundus spricht. Im Layout folgt man dem visuellen Stil der Zweiten Edition, indem die jeweiligen Mannschaftskapitel mit dem entsprechenden Hintergrund hinterlegt sind. Das macht den Seitenschnitt sehr bunt, aber die Kapitel leicht zu finden.

Der deutliche Schwerpunkt des Buches liegt auf Hintergrundgeschichten, nur eine Seite ist für Regelbegriffe reserviert und am Ende des Buches finden sich noch vier Seiten mit Szenarien und eine Kopiervorlage.

Die groben Züge des Hintergrunds

Mit der zweiten Edition wurden ein paar Änderungen eingeführt und vor allem ein neuer Status Quo angekündigt. Bisher waren die Entwicklungen um Longfall eher beschaulich und liefen auf den Rauswurf des Imperiums aus der Garnison, die Ankunft der Amazonen, die Gründung von Gobbotopolis, die Entdeckung der Goldmine und den Vulkanausbruch hinaus. Vieles war dabei wage und implizit.

Mit dem neuen Grundregelbuch wurde aber schon angekündigt, dass eine Imperiale Flotte unterwegs ist, um Puerto Alto (also Longfall) wieder zurückzuerobern. Das haben die Piraten aber durch den neuen starken Mann in Longfall, Kapitän Rubio, mitbekommen und einen Plan entwickelt. Eine starke Allianz aus Goblins, Piraten, Debonn und dem Kult lockte die Imperiale Armada  in die Falle, wo die Piraten die Armada im Nahkampf Boote gegen Schiffe zurückschlagen konnten, aber einige ihrer Schiffe dafür opfern mussten.

Allerdings stand die Bruderschaft lose auf der Seite der Imperialen Armada, deren Dschungelgarnison während der Seeschlacht einen Großangriff auf Longfall startete und in den Straßenkämpfen große Teile der Stadt zurückerobern konnte. Durch den großen Kanal und eine strategisch aufgebaute/aufgekaufte Mauer quer durch Longfall konnte die OLHG und die Debonn die Konfliktparteien trennen, so dass nun ein unruhiger Status quo in der Stadt herrscht, aber alle einen Grund haben, auf der Insel und in der Stadt zu sein. Es gibt keinen offenen Krieg, aber genug Grund für regelmäßige Scharmützel.

Generell wurde der Hintergrund der Fraktionen etwas ausgebaut, wird aber nach wie vor nur durch die Charaktergeschichten erzählt, die aber zunehmend zusammenhängen.
Die Piraten haben es geschafft, West-Longfall zu halten und die Armada zu überlisten. Aber die neue erfolgreiche Mannschaft von Rubio schafft Unruhe. Der Imperialen Armada ist es wiederum gelungen, Ost-Puerto Alto wieder ins Imperium zu holen und sie versucht weiter, ihre Situation ohne großen Nachschub zu konsolidieren. Den Goblins ist es gelungen, mit Gobbotopolis ihr eigenes Stadtviertel zu schaffen, welches die besten Schmuggelrouten an der großen Mauer vorbei bietet. Die Bruderschaft leidet schwer unter der Aushebung ihres Hauptquartiers durch die Goblins und an internen Streitigkeiten zwischen den Anführern. Allerdings gibt es nun mehr Hinweise für ihre Jagd nach Pelagios Erben und sie sind auf ein düsteres Geheimnis unter der Insel Leonora gestoßen, das sie zu neuer Macht führen soll. Der Kult hat sich etabliert, wo keine imperialen Cazadoren herrschen. Ihre Mystiker spüren aber, dass die Loas unruhig sind, weil sich eine alte Macht erhebt und versuchen, mehr darüber herauszubekommen. Die Debonn haben in Longfall ihre Exil-Kolonie etabliert, verbreiten ihre Koch- und Bistrokunst über die Stadt und haben mit der großen Mauer nun so viel Platz für politische Agitation wie sie es sich nur wünschen können. Die OLHG versucht, allen das Geld abzuknöpfen, fürchtet aber um ihre Einnahmen von der Goldmine. Die Amazonen mussten sich in die Berge  zurückziehen und suchen nach einer neuen Zielsetzung für ihre Expedition. Dazu gehören die Geheimnisse von Leonora und neue Schiffe und Boote, um die Insel auch wieder verlassen zu können.

Im Wesentlichen wird also der Hintergrund etwas weiter ausgebaut und neue Entwicklungen beschrieben und schon einige neue Dinge angedeutet.

Highlights der Geschichten

Hardrock auf der Fidel! Perfekte Fechtchoreographien! Prollige Hasardeure mit tiefergelegten Schilden (mit Nieten dran)! Paddels of Doom! Cthulu-Mythen! Popkulturelle Anspielungen! Straßenkämpfe, Intrigen und haufenweise Kochkurse für die Damenwelt!
Die Geschichten bleiben so bunt und skurril, wie man das bisher aus den Freebooters-Büchern kennt.

Man merkt aber eine allgemeine Tendenz, die Geschichten stärker miteinander zu verbinden. Gerade beim Entergefecht zwischen Piraten und Armada oder bei den Straßenkämpfen der Goblins um Gobbotopolis bauen die Geschichten direkt aufeinander auf und lassen sich quasi als Fließtext lesen. Der Fokus liegt also klar auf den neuesten Geschehnissen, auf die alten Charakterhintergründe und Verflechtungen wird kaum verwiesen – das hält auch die alten Regelwerke für Sammler lesenswert.
Ich bin hier natürlich etwas zwiegespalten, da ich solche Informationen interessant finde, aber man schon so ein dickes (?) Hintergrundbuch nicht noch weiter aufblähen sollte.

Neben den aktuellen Geschehnissen wird aber auch der Hintergrund der Welt ausgebaut. Man erfährt mehr über die Hintergründe der Bruderschaft oder die große Goblin-Revolte, in der sie sich vor einer Goblingeneration von der Sklaverei befreiten. Auch muss die Entdeckung und Siedlungsgeschichte des Leonora-Archipels neu gedacht werden und unter den Insel schlummert noch so manches Geheimnis.

Drei bis Fünf Musketiere … Die volle Compagne du Roi.

Ich fand es auffällig, dass die Geschichten in der Tendenz etwas brutaler wurden. Wo vorher die Protagonisten oft ihre Antagonisten schwer verletzten oder kampfunfähig zurückließen, werden jetzt öfter tödliche Verletzungen und reglose Körper beschrieben. Da passt natürlich zu den verbissenen Straßenkämpfen, empfand ich aber als unerwartete Neuerung.

Eine Designentscheidung empfinde ich als ungünstig: Zu keinem der drei großen Charaktere sind Geschichten zu finden. Das finde ich schade.

Regeln und Szenarien

Wie schon gesagt werden am Anfang des Buches auf einer Seite ein paar neue Sonderregeln für neue Charaktere eingeführt. Zusätzlich sind ein paar kleine Klarstellungen zu finden, allen voran, dass die Söldner nach wie vor den Platz eines Spezialisten einnehmen – das hatte im Grundregelbuch noch etwas Interpretationsspielraum.
Da jedes Modell, das regulär bisher erschienen ist, und noch ein paar, die bald erscheinen, mit seiner Charakterkarte dargestellt ist, gibt das Buch auch eine gute Übersicht über alle Charaktere. Wer also die Karten nicht braucht, aber trotzdem an einem Überblick über alle Fraktionen interessiert ist, kommt hier günstiger und unterhaltsamer weg, als wenn er sich alle Kartenpacks besorgt.
Auch hier gilt: Die großen Charaktere fehlen, aber deren Regeln bekommt man sowieso bisher nur per Download.

Szenarien: Rubios Siegesfeier und Katerstimmung.

Zusätzlich werden noch drei Szenarien vorgestellt, für die auch wieder ein Bogen als Kopiervorlage für Marker enthalten ist.
„Für Ru(h)m und Ehre“ ist eine Neuauflage des Szenarios um den „Rostigen Anker“, in den Rum geschmuggelt werden muss. Hier wurde bis auf Details nichts an dem asymmetrischen Szenario geändert. Ganz neu sind „Rubios Siegesfeier“ und „Katerstimmung“, die beide eher spaßige Szenarien sind. Beim ersten versuchen die beteiligten Mannschaften aus der Siegesparade von Rubios Piraten Wertgegenstände zu rauben und in die sicheren Seitengassen zu bringen. Dazu müssen sie sich aber in die chaotischen „Partyzonen“ wagen, in denen …Dinge… passieren und Modelle sich unerwartet nach der Party auf der falschen Seite der Straße wiederfinden können.
„Katerstimmung“ spielt im selben Straßenzug, allerdings nach der Party. Die verkaterten Charaktere werden zufällig aufgestellt und sind bereit zur Prügelei. Alle haben weniger Aktivierungen, was mit der Zeit und durch die herumliegenden „saure Herings“-Marker normalisiert wird.

Die Seitenstraßen für diese beiden Szenarien finde ich ein bisschen anspruchsvoll, wenn man sie tatsächlich mit Gebäuden darstellen will und nicht alle Spieler werden genug Mauern haben, um sie darzustellen.

Fazit:

Bei mir hinterlässt das Mannschaftsbuch einen guten Eindruck, allerdings gehöre ich auch zur Kernzielgruppe dieses Buches. Wer einige Stunden gute Unterhaltung und mehr Texte zur Welt und Charakteren von Freebooter’s Fate sucht, wird hier fündig. Auch Freunde von Regel-crunch könnten auf ihre Kosten kommen, da alle Charaktere mit Kartenprofil abgebildet sind. Zusammen mit dem Grundregelbuch (und etwaiger Errata) besitzt man also alle Charakterregeln.
Schade finde ich das Fehlen der großen Charaktere. Ebenso finde ich die Szenarien unterhaltsam, aber sehr speziell. Für kompetitive Spieler ist manche Regel zu speziell oder spaßig, der Gelegenheitsspieler wird Probleme mit den Häuserzeilen haben.

Auch wenn das Buch bisher das teuerste Freebooter’s-Fate-Buch ist, empfinde ich es als „preis-wert“ und eine gute Investition, wenn man das Spiel und seine Welt mag.

Habt ihr euch das Mannschaftsbuch angesehen oder plant ihr, es euch zu kaufen? Was haltet ihr von Hintergrundbüchern und Miniaturenfotos? Und was haltet ihr von diesem Review, mehr als zwei Monate nach dem Erscheinen?

Wir freuen uns auf eure Kommentare.

Über Christian

Christian begann als Gastautor und bissiger Kommentator, wurde dann Redakteur im Blog und gehört inzwischen zu den "Großen Alten" Trotzdem ist es immer noch für sein zu schnelles Reden bekannt und für seine Klugkoterei berüchtigt. Obwohl er kein Historischer Wargamer ist, ist er einer der beiden "HistoSpacken" der Redaktion. Sein Fokus im Hobby liegt auf Freebooter's Fate, Geländebau (aktuell gerade 1:1 Maßstab) und Hobbyphilosophischem. Ganz allgemein spielt er lieber Skirmischer als Rank&File-Massensysteme

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7 Comments on “Review: Freebooter’s Fate Mannschaftsbuch #2”

  1. Danke für das Review.

    Mir gefällt das Buch. Klasse finde ich zum Beispiel, wie die Figuren „Krud“ und „Leutnant Krud“ bzw. ihre „Beziehung“ zueinander erklärt werden.

    Ein paar Kritikpunkte habe ich doch:
    Auch wenn im Rgelbuch steht, dass in Freebooterd Fate nicht gestorben wird (zumindest die spielbaren Chaaktere nicht), wird im Buch „Die Mannschaften“ gemetzelt was das Zeug hält. Ich habe nicht nachgezählt, es gibt aber viele Tote, auch außerhalb der Seeschlacht bzw. des Häuserkampfs. Etwas was den bisher sehr hellen, freundlichen Hintergrund doch arg verdüstert.

    Auf dem Cover steht „Freeboters“ statt „Freebooters“, und es ist leider nicht der einzige Rechtschreibfehler. Capitana Roja wird zum Beispiel öfters mal als Roya bezeichnet. Im ersten Moment wusste ich gar nicht, wer das sein soll.

    Nicht nur die großen Charaktere fehlen, sondern auch die limitierten Charaktere. Schade. ich hätte gerne deren Geschichte(n) gelesen, auch wenn ich die Modelle nicht besitze.

    Trotzdem habe ich das Buch gerne gelesen und bin gespannt, ob es neue Fraktionen geben wird.

  2. Neue Fraktionen: Ja, die Hinweise auf weitere Fraktionen sind sehr subtil. Und auch nichts, was ich in näherer Zukunft erwarte.

    Titel-Typo: Dafür gibt nun den mit Blut geschriebenen Aufkleber. Der aber seine Eigenheiten hat. Siehe Bild oben.

    Limitierte Modell waren noch nie in großem Umfang in den regulären Büchern zu finden. Die prominenten Ausnahmen bleiben wohl Carly Wench und Qualani, die aber auch nie große Fluffsektionen bekamen.
    Regeln für die #2 werden hoffentlich irgendwann kommen, so wie es auch schon für die großen Modelle gemacht wurde.

  3. Ich steige gerade erst ein und werde mir das Buch erstmal nicht besorgen.

    Ich finde es aber sehr schade, dass der Hintergrund düsterer wird und jetzt Tote auftauchen.
    Eine Design-Entscheidung, die ich überhaupt nicht nachvollziehen kann. Es gibt genug düster/brutale Seetings, da muss Freebooters nicht auch einsteigen.

    Ansonsten an dieser Stelle: Vielen Dank für den Bericht!

    1. hach – also düster und brutal ist das Setting noch immer nicht. Ich sage nur, dass die Kämpfe dieses mal als etwas „intensiver“ beschrieben wurden.
      Nach wie vor ist es immer noch das Setting, in dem eine Goblindame durch Training von unbekannten Muskelgruppen versucht einen Fischschwanz zu bilden, ein Goblin sich erfolgreich als Fass tarnt, ein Ork zum Denken einen Hutwechsel benötigt oder Söldnerin Schwalbe Freitags ins Bordell „Plüschiger Bär“ geht um in Ruhe (und ohne beobachtet zu werden) einen eiskalten Mangosaft und ein gutes Philosophiebuch zu genießen.
      Und die Bruderschaft hat schon immer gemeuchelt, genauso wie der Kult schon immer Leute entführt und zu Sansâmes gemacht hat.

      Der wesentliches Grund es sich als Anfänger erstmal vielleicht nicht zu besorgen, sehe ich in der Fülle der Charaktere, die überfordern können, oder wenn man sich nur für eine Fraktion interessiert. Leute, die schon alles Kartensets haben brauchen halt den Regelteil nicht dringend.

      Wer (lustigen) Fluff kennen lernen möchte, kommt um das Buch kaum herum.

      1. Das mit den Fluff reizt mich schon sehr… Aber ich tendiere da momentan eher dazu die alten Szenarien mal zu bestellen. Mal schauen.

        Ich warte mal ab, wie sich die Welt weiterentwickelt. Vielen Dank aber für die Klarstellung!

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