Review: A billions suns

Erinnert ihr euch noch ? Im Stammtisch Juni 2020 (..damals..) sprachen wir über die Ankündigung von Osprey Games „A billion suns – interstellar fleet battles“, im März 2021 erschien es dann.

Trotz aller Vorfreude, besorgte ich es mir nicht direkt, auch weil es Osprey zu diesem Zeitpunkt (als renommiertem Verlag!) nicht möglich war, direkt in die EU zu liefern. Aber bei einer Bestellung (Miniaturenshop, leider nicht mein bevorzugter lokaler Buchhändler) packte ich es mir Mal in den Warenkorb. Nach dem Erstlesen blieb es bei mir aber lange liegen, bis ich eine Rezension verfassen wollte. Denn einerseits unterwältigt mich „A billions suns“ als Spiel – auf der anderen sehe ich hier eine wahre Perle des Spieldesigns vor mir. Hier also nun die Rezension

Das Buch – Harte Fakten

A billion suns

  • Autor: Mike Hutchinson (Planet Smasher Games)
  • Illustrator: Paolo Puggioni
  • Verlag Osprey Wargames, 23. Feb. 2021
  • 64 Seiten, broschiert
  • Listenpreis: 12,99 £ / 20 $ (≈ 14,70-18,30 €; dt. Versandhändler: 12,75 €; Datenkrake-A: 14,99 €)

Auf die Gefahr hin, sich zu wiederholen: Es ist halt ein typisches Osprey Regelwerk im Standard-64 Seiten Format.  Das Papier ist satiniert und kräftig, die Broschur solide aber natürlich nur ein Softcover, welches schnell Verschleißspuren zeigt.   Der Seitenschnitt weist wieder den breiten Seitenrand auf, der mit Infos und Illustrationen gefüllt wird. Tatsächlich sind mir die Illustrationen nicht besonders in Erinnerung geblieben, allerdings sind die Diagramme zur Verdeutlichung von Spielsituationen gut gelungen. Dazu sind wirklich viele Fotos von Raumschiffen von Brigade Models mit Felstrümmern zu finden.

Autor Mike Hutchinson ist auch für Gaslands bekannt, das ebenso mit einigen innovativen, aber eleganten Spielmechaniken aufwarten konnte.

Das Spiel und was es sein will

Gleich vorne weg: A Billion Suns will nicht Battlefleet Gothic sein, oder große Schlachten zwischen Großkampfschiffen und ihren Eskorten simulieren. Sehr wohl versucht das Spiel aber alles vom Aufklärer, Raumjäger und Frachtschiff bis hin zum Schlachtschiff abzudecken. Wie so häufig ist es ein miniaturen-agnostisches System, mit den verwendeten Reichweiten würde ich eher die typischen Raumschiffgrößen von Brigade (wenige cm) als die von TTCombat (DropfleetCommander; 10 cm ) empfehlen

Die Kerngeschichte ist, dass die Menschheit sich im All ausgebreitete hat, nach dem beim Erstkontakt mit außerirdischen Spezies (genauer: zwei kämpfenden Flottillen, deren Sprungtore  im Jupiterorbit auftauchten)  diese von den Konzernen abgeschossen und ihre Sprungantriebe reverse engineered wurden.
Die Konzerne und ihre Kampf-, Bergungs- und Forschungsflotten kontrollieren die Galaxis, und man selbst als CEO ist immer auf der Suche nach einem lukrativen Vertrag, bevor die Konkurrenz zuschlagen kann.

Neben der grundsätzlichen Mechanik gegnerische Schiffe weg zu ballern, geht es vor allem um Szenariospiel, bei dem man mit „Utillty Ships“ Dinge bergen muss oder mit Aufklärern Objekte scannen muss. Die Missionsauswahl erfolgt relativ geschickt über generische Spielkarten, die dafür sorgen, dass sehr unterschiedliche Missionen (über die Bildkarten)  mit unterschiedlichen Wertungsmechanismen (über die Zahlenkarten und deren festgelegte/unterschiedliche/zufällige Reihenfolge) verknüpft werden.  Für diese Missionen bekommt man Credits, welche abhängig von der gewählten Spielgröße, die Siegpunkte liefern, aber für die man auch weitere Schiffe anheuern kann. Eine Besonderheit ist, dass das Spiel oft auf mehreren (kleinen) Tischen stattfindet und Raumschiffe das Spiel über Sprungtore betreten und verlassen müssen. Auch spielt man keine festgelegte Liste, sondern bringt Schiffe für Credits/Siegpunkte auf den Tisch, wie man sie benötigt

Wenn man voll auf die Szenariomechanik will, beginnt man mit kleinen Spielgrößen, spielt eine Kampagne, in der man seine Corporation aufbaut, weitere Schiffstypen und Fähigkeiten freischaltet und in immer größeren Partien immer größere Schiffe ins Spiel bringt, wobei die meisten Szenarien am ehesten über Aufklärer und Utillity-Schiffe entschieden werden und die größeren dann als Geleitschutz, Konter (Abfangjäger und Gunships))  und mobile Sprungtore (Flottenträger) dienen. Dabei kommt eine strategische Komponente des Ressourceneinsatz ins Spiel, bei der man überlegen muss, ob das Szenario und die Credits den Einsatz größerer Schiffe rechtfertigen.

Der Kampagnenmodus…. spricht mich nicht an, aber eventuell muss man ihn einfach einmal intensiver ausprobieren. Die Technologie“bäume“ die man freischalten kann wirken auf mich sehr starr. Mit den ganzen Credit-Kosten für neue Schiffe und Technologien ist das kein Spiel, welches mich direkt anspricht. Ich bin aber auch kein ausgeprägter Kampagnen-Spieler.

Vom „Feeling“ funktioniert es am besten im Szenariospiel mit kleinen Schiffen unterhalb der Kreuzerklasse. Klar könnte man auch mit vielen Credits starten und Flottenverbände aufstellen, die sich einfach wegballern. Aber es ist aussagekräftig, das dies einfach nicht das Standardszenario des Spiels ist

Die Kernmechanik

Warum gefällt mir „A billion sun“ trotzdem so gut, dass ich mir die Mühe mach eine Rezension dazu zu verfassen? Weil der Kernmechanismus so simpel, robust, elegant und zugleich komplex ist.
Neben den üblichen Bewegungsregeln (min. Bewegung um nicht als stationär zu gelten; Schiffdrehungen) finden die Kämpfe mit wenigen Würfeln von W6 bis W12 statt, wo ein W6 einen (1) Punkt Schaden macht, ein W12 hingegen fünf. Jedes Schiff, besitzt eine Hauptwaffe für den Frontbereich und evt. eine Hilfsbewaffnung, die allerdings 360° Schusswinkel besitzt und auch passiv auf gerade aktive Gruppen feuern darf. Jeder Wurf einer natürlichen 1 zählt dabei als Kritischer Treffer, jeder Maximumwurf als automatischer Misserfolg. Ein Wurf zählt dabei als Treffer, wenn er gleich oder kleiner dem Silouettenwert des Ziels ist. Wenn das Ziel Schilde besitzt (alles was größer als Jäger/Bomber ist), erhält es noch Mal einen Schutzwurf (mit den getroffenen Würfeln), so dass nur Würfe über dem Schildwert schaden machen. Wenn eine Schiffsgruppe so viel Schadensmarken wie ihr Silouettenwert angesammelt haben, wird ein Schiff entfernt.

Das klingt erst Mal für Neulinge viel, sind aber nur max. zwei Würfe (plus Wiederholungswürfe) für einen Angriff und richtig tiefes Spieldesign da bestimmte Effekte (W4 Exploding Dice besser als W6) vermieden werden, kleine Waffen besser treffen, wahrscheinlicher kritten oder verfehlen oder große Waffen zwar kleine Ziele nicht treffen, aber auch dicke Schilde überwinden.
Die Blaster eines Jäger können große Schiffe quasi gar nicht verfehlen, kritten wahrscheinlicher, haben aber Probleme Schilde zu überwinden und machen dann auch nur überschaubaren Schaden.
Größere Geschütze treffen kleine Schiffe kaum, machen dann aber massiven Schaden und können auch starke Schilde überwinden.
Sehr gelungen ist auch die Unterscheidung in Haupt und Hilfsbewaffnung, die sehr viel über den Zweck des Schiffes verrät. Große Geschütze sind eher Hauptwaffen, während Hilfswaffen vor allem der Jäger und Eskortenabwehr dienen und auch in der Aktivierung des Gegners abgefeuert werden. Abfangjäger haben zum Beispiel ausschließlich 3W6 Hilfswaffen, während Bomber ausschließlich große 2W10 Torpedos als Hauptwaffe benutzen. So findet sich für jeden Schifftyp eine Rolle.

Dazu  kommt noch ein einfaches Befehlssystem, das einer Schiffsgruppe bestimmte Aktionen erleichtert, wie Widerholungswürfe bei „Angriff!“, mehr Drehungen bei „Manövrieren!“ oder eben das Betreten/Verlassen eines Spielfeldes mit „Sprung!“ Das ist wirklich spaßiges Design, das mit wenigen Zusatzregeln auskommt (wie das kleine Schiffe den Schild großer Schiffe nutzen, wenn sie denn in der Nähe sind.
Zusätzlich sind durch die Spieltischgröße und Creditkosten die Spielgrößen angenehm klein, auch wenn ich außer Zeit&Platzaufwand kaum Grenzen für „große“ Gefechte sehe.

Die Pokermechanik: „Wie viele Credits an Schiffen kann ich einsetzen, ohne Verluste zu machen, bzw max. Gewinn zu erzielen“ ist nicht für jedermann und auch eng mit den Szenarien verzahnt, erlaubt aber auch sehr gut asymmetrische Gefechte. Dass dies für viele Spieler am gewohnten „Wir würfeln unsere große Flotte weg“ vorbeiläuft ist je nach Blickwinkel schade oder volle Absicht.

Fazit

„A billion suns“ will nicht Battlefleet Gothic  und will ein eigenständiges Spiel rund um Wirtschaftskriegsführung sein. Die Kernmechanik finde ich  aber brillant und läd zum Experimentieren mit den Szenarien und Credit-Summen ein. Im Endeffekt ist es ein System, dass man intensiver testen muss und sich nicht alleine beim lesen erschließt. Eigentlich hält mich nur das Fehlen von richtig tollen, aber kleinen Schiffen davon ab, hier loszuspielen.
Was haltet ihr von miniaturen-agnostischen Flottenspielen? Wann würfelt ihr gerne große Schlachtschiffe weg? Und wie sehr mögt ihr innovative Meschaniken jenseits der XW6 Treffe/Verwunden/Rüsten-Mechanik?

Schreibt es uns in die Kommentare!

Über Christian

Christian begann als Gastautor und bissiger Kommentator, wurde dann Redakteur im Blog und gehört inzwischen zu den "Großen Alten" Trotzdem ist es immer noch für sein zu schnelles Reden bekannt und für seine Klugkoterei berüchtigt. Obwohl er kein Historischer Wargamer ist, ist er einer der "HistoSpacken" der Redaktion. Sein Fokus im Hobby liegt auf Freebooter's Fate, Summoners, Geländebau (aktuell gerade 1:1 Maßstab) und Hobbyphilosophischem. Ganz allgemein spielt er lieber Skirmischer als Rank&File-Massensysteme

Alle Beiträge von Christian →

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert